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# taz.de -- Union will weniger Westbalkan wagen
> Menschen, die durch die Westbalkanregelung nach Deutschland kommen, sind
> überaus erfolgreich auf dem Arbeitsmarkt. Die Zukunft dieser Regelung ist
> unter Schwarz-Rot jedoch unsicher
Bild: Viele Menschen, die über die Westbalkanregelung herkommen, arbeiten auf …
Von Sezen Moeliker
Deutschland braucht Arbeitskräfte. [1][Mindestens 400.000 jährlich, sagen
Experten]. Eine Möglichkeit, über die diese Menschen nach Deutschland
kommen können, ist die sogenannte Westbalkanregelung. Diese droht unter der
neuen Regierung jedoch deutlich eingeschränkt zu werden.
Aktuell können über die Westbalkanregelung Menschen unter anderem aus
Albanien, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien nach Deutschland kommen,
um zu arbeiten. Eine Berufsausbildung oder sonstige Qualifikation müssen
sie dafür nicht nachweisen. Es reicht ein Jobangebot und die Genehmigung
der Bundesagentur für Arbeit. Die Regelung war 2015 eingeführt worden, um
die Zahl der oft aussichtslosen Asylanträge aus diesen Ländern zu
reduzieren – indem man den Menschen einen regulären Weg auf den
Arbeitsmarkt eröffnete.
Seitdem sind die Asylanträge aus diesen Ländern stark zurückgegangen.
Migranten aus dem Westbalkan arbeiten häufig im Bausektor, in Restaurants
und Hotels. Die Ampelkoalition hatte die Westbalkanregelung 2024 nicht nur
verlängert, sondern auch das [2][Kontingent für Arbeitsvisa von jährlich
25.000 auf 50.000 verdoppelt.]
Die nächste Regierung nun dürfte von der Union angeführt werden. Gerade
laufen die Koalitionsverhandlungen zwischen CDU, CSU und SPD. Und
überraschenderweise fand sich im Papier der Arbeitsgruppe Arbeit und
Soziales kein Wort zur Westbalkanregelung. [3][Im Sondierungspapier hatte
noch gestanden, man wolle die Zuwanderung über die Westbalkanregelung
wieder „begrenzen“] – und zwar auf die früheren 25.000 Personen pro Jahr.
Auf taz-Anfrage wollte die CDU sich zu den laufenden Verhandlungen nicht
äußern, die SPD ließ die Anfrage bis Redaktionsschluss unbeantwortet.
Die Abschaffung wäre keine gute Idee, findet der Wirtschaftswissenschaftler
Herbert Brücker vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB).
Das IAB hat die Auswirkungen der Westbalkanregelung auf die
Arbeitsmarktintegration für die Bundesregierung evaluiert: „Diesen Menschen
geht es auf dem Arbeitsmarkt sehr gut“, sagt Brücker.
Drei oder vier Jahre nach ihrer Ankunft in Deutschland seien etwa 95
Prozent immer noch beschäftigt, so das IAB. Das habe natürlich auch damit
zu tun, dass die Aufenthaltserlaubnis an den Beschäftigungsstatus gekoppelt
sei. „Aber“, so Brücker, „sie schneiden, was die Beschäftigungsquote
betrifft, besser ab als jede andere Zuwanderergruppe auf dem Arbeitsmarkt.
Sie sind sogar sehr viel erfolgreicher als viele Einheimische.“
So gebe es kaum Abhängigkeit von Sozialleistungen. Außerdem sei das
Qualifikationsniveau höher als erwartet. Obwohl die Westbalkanregelung
keine Qualifikationsanforderungen stelle, verrichteten die meisten
Einwanderer hier qualifizierte Tätigkeiten. „Wir haben reguläre
Beschäftigungsverhältnisse, was natürlich gut für die Wirtschaft, für die
Unternehmen und für die Steuereinnahmen ist“, so Brücker.
Deutschland verliert jedes Jahr 400.000 Arbeitskräfte aufgrund des
demografischen Wandels. „Die müssen wir auf die eine oder andere Weise
ersetzen“, so Brücker. „Wenn man aber gut funktionierende Kanäle weiter
reduziert, dann haben wir sicherlich ein Problem.“ Er befürworte im
Gegenteil, die Regelung auf weitere Länder auszuweiten.
Auch der Politikwissenschaftler Holger Kolb vom Sachverständigenrat für
Integration und Migration (SVR) erkennt den wirtschaftlichen Nutzen an,
zieht jedoch eine andere Schlussfolgerung: „Als die Westbalkanregelung
eingeführt wurde, gab es für diese Gruppe weit weniger Möglichkeiten als
heute, nach Deutschland zu kommen.“ Seither wurde der Zugang zum deutschen
Arbeitsmarkt erleichtert. Heute gebe für zugewanderte Arbeitskräfte einen
besseren rechtlichen Status. Etwa die Anerkennungspartnerschaft, so Kolb.
Diese ermöglicht es, nach Deutschland zu kommen, um in einem bestimmten
Beruf zu arbeiten und parallel dazu zu versuchen, eine Qualifikation
anerkennen zu lassen. Nach einer Anerkennung gelte man als Fachkraft und
könne etwa schon nach drei statt fünf Jahren eine unbefristete
Aufenthaltserlaubnis erhalten. Zudem sei die Familienzusammenführung für
Fachkräfte einfacher, so Kolb: „Warum Economy-Class wählen, wenn man auch
Business-Class fliegen kann?“
Kolb unterstützt daher die Forderung, die Westbalkankontingente zu
verringern. „Nicht, weil ich gegen die Einwanderung aus diesen Ländern
bin“, sagt er. Es sei jedoch „irritierend, bei Arbeitsmigration zu fragen:
Woher kommst du? Das sollte eigentlich egal sein.“ Vielmehr solle es um die
Fähigkeiten einer Person gehen. „Die Westbalkanregelung steht im
Widerspruch zu diesem Grundgedanken.“
3 Apr 2025
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## AUTOREN
Sezen Moeliker
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