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# taz.de -- Flanieren zwischen Worten und Räumen
> Vom Display im öffentlichen Raum zum Buch: Der Lyrik-Band „Displayed
> Words“ des CCA Berlin
Von Henriette Hufgard
Die Straßen einer Stadt wie Berlin sind voll von Worten: gesprochenen und
geschriebenen, geschrienen und geflüsterten. Diese lebhafte Schnittstelle
fängt der Gedichtband „Displayed Words“ kunstvoll ein und experimentiert
mit ihr: Denn wer spricht und schreibt, wer hört und liest, gestaltet eine
Stadt mit. Möchte in ihr Gehör und Gemeinschaft finden, seinen Gefühlen und
Gedanken Luft machen. „Displayed Words“ ist das Ergebnis, oder besser: ein
Zwischenstand von drei Ausstellungen gleichen Namens. Die Reihe wurde 2022
vom [1][CCA (Center for Contemporary Art) in Berlin] initiiert. Im Titel
findet sich bereits ein Hinweis auf ein zentrales Element der
Ausstellungen: ein langgezogenes Display, auf dem Zeile für Zeile Texte an
öffentlichen Orten aufleuchteten.
Der Gedichtband besticht durch seine schlichte Gestaltung in Schwarz und
Weiß. Auf sich abwechselnden Farbblöcken stehen klar lesbare Worte, jeder
Text in seiner eigenen Schriftart. Das Buch lädt zum Erkunden und Mäandern
ein. Man kann es überall aufschlagen und direkt eintauchen. Ein Wirbel aus
zehn Sprachen empfängt die Lesenden, darunter Vietnamesisch, Türkisch und
Deutsch, Ungarisch und Englisch. Manche Texte sind zweisprachig abgedruckt
– Brücken, die Verständigung anbieten, auch wenn man die eine oder andere
Sprache nicht beherrscht? Doppelungen und Abweichungen zwischen den
Übersetzungen zeigen fast beiläufig, wie jede Sprache die Schönheit einer
ganz eigenen Welt entfaltet, die sich nie vollständig in einer anderen
auflöst. Jede Sprache bringt etwas Neues mit. Doch Sprachen können auch
Hindernisse sein und mit diesem Schillern spielt das Buch, wie das im
Ausstellungstitel verborgene „play“ bereits andeutet.
21 Schreibende haben Werke zu diesem vielschichtigen Gesamtkonzept
beigesteuert. Darin verhandeln sie mit viel Feingefühl, wie Sprachen und
Literatur mit dem öffentlichen Raum zusammenwirken – zumal in einer so
polyglotten Stadt wie Berlin. Und sie erkunden, wie dieser Sprechraum auf
die Menschen darin rückwirkt. Wo entstehen Reibungen, wo Verbundenheit und
Austausch? Zu sehen waren die Texte auf dem Display in der Klosterruine,
auf dem Balkon des Bezirksamts Mitte und zuletzt über dem Eingang der
Staatsbibliothek. Die eingängigen wie anspruchsvollen Texte sind breit
zwischen [2][Lyrik], Rap und Prosa verteilt und überschreiten immer wieder
mühelos Gattungsgrenzen.
Texte wie Don Mee Chois dialogisch-rhythmisches Gedicht „Who am I?“ oder
Tim Etchels Beitrag „Lost for words“ eröffnen über wenige Zeilen
beeindruckend tiefe Gefühlswelten. Andere, wie die Lyrics von Apsilons
„Koffer“ oder Nhã Thuyêns zweisprachiges Gedicht „This is a question: I
write in Vietnamese“, regen die Lesenden zur gesellschaftskritischen
Reflexionen an. Sie vertrauen uns Erlebtes an, fragen nach dem eigenen Ich,
dem Fremden und allem halb Vertrauten dazwischen – mal vorsichtig tastend,
mal fordernd, immer mit gewinnender Offenheit. Die typografisch geschickt
in Szene gesetzten Zeichensysteme laden dazu ein, auch das Schriftbild
eigenständig wahrzunehmen und sich den eigenen Sprachbarrieren neugierig
zuzuwenden.
Zwischen den Seiten sind drei Postkarten mit Fotografien der Bildschirme
beigelegt, wie sie unter freiem Himmel ein Stück Text aufleuchten lassen.
„Displayed Words“ bringt ein Stück öffentlichen Sprach- und Sprechraums
nach Hause. Ob man die Postkarten an den eigenen Kühlschrank heftet oder
sie mit eigenem Text erweitert und in die Welt hinausschickt, im Austausch
mit dem Buch wird man Teil eines poetischen Tumults der Sprache.
CCA Berlin (Hg.): „Displayed Words“. Mehrsprachige Ausgabe, verschiedene
Autor:innen. März-Verlag. Berlin 2025, 74 Seiten, 18 Euro
10 Apr 2025
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## AUTOREN
Henriette Hufgard
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