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# taz.de -- Der Beginn der taz im Netz: „Was hier nicht steht, steht in der d…
> Am 12. Mai 1995 kündigte Reiner Metzger in der taz den Launch unserer
> Website an – die „taz im Netz“ war geboren. Ein Stück Zeitgeschichte, …
> wir hier dokumentieren.
Bild: Die taz auf digitalen Endgeräten – heute wie damals ein Genuss
[1][Aus der taz], vom 12.5.1995 | Nun ist sie also da, die „digiTaz“. Als
erste überregionale Tageszeitung kann man die taz im weltweiten
Computerverbund Internet lesen. Die taz-Ausgabe des nächsten Tages wird
schon abends um 20 Uhr in einen Computer am Prozeßrechenzentrum (PRZ) der
Technischen Universität Berlin eingespeist. Innerhalb weniger Minuten
können dann LeserInnen aus der ganzen Welt die taz auf ihren Bildschirm
rufen – wenn sie einen Internet-Anschluß haben.
Mit der bequemen Art, im Internet herumzusurfen, dem „World Wide Web“ und
den zugehörigen Programmen wie „Mosaic“ oder „Netscape“, tauchen nicht…
verworrene Buchstabenschlangen auf dem Bildschirm auf, sondern einfach zu
bediendende Grafiken und leicht lesbare Texte (zum „World Wide Web“ auch
ein Artikel auf den Kultur- Seiten). Auf Neuseeland ist die digiTaz damit
früher zu lesen als die Papiertaz im Handverkauf in den Kreuzberger
Kneipen. Einfach die etwas längliche Adresse „http:// www.prz.tu-berlin.de/
~taz“ in die Tastatur hacken, dann sucht sich der Rechner seinen Weg auf
die Menüseite der digitalen taz.
Ein Inhaltsverzeichnis erscheint, mit der Maus kann dann geblättert werden,
oder aber man klickt einzelne Artikel mit der Maus an. „Weil die Auflösung
der Computer-Bildschirme mehr als zehnmal schlechter ist als die von
bedrucktem Zeitungspapier, können wir immer nur einen Artikel auf dem
Schirm darstellen“, sagt digiTaz-Projektleiter Dieter Rüffler von der TU
Berlin. „Damit eine Zeitungsdoppelseite lesbar wäre, bräuchten wir einen
Monitor von der Größe einer Tür.“ Damit der Speicherplatz für eine digiTa…
Ausgabe auf etwa 600 Kilobyte beschränkt bleibt, fehlen fast alle Fotos —
doch keine Angst: Der Tom- Cartoon und das Augenblicke- Foto sind drin.
Beim Probebetrieb in den letzten Tagen stieg die Zahl der LeserInnen der
digiTaz schon auf über 3.000, obwohl die elektronische Adresse nur unter
Freunden ausgetauscht wurde. Die Auflage der Papier-taz wird allerdings
kaum von der digitalen überrundet werden – dafür reicht einfach die
Computerkapazität am Rechenzentrum nicht aus. Die Leitung könnte dann
häufig belegt sein.
Daß es die taz nun auch im Internet gibt, ist in bester Hacker- Manier vor
allem der freiwilligen Arbeit von EDV-Spezialisten am PRZ und bei der taz
zu verdanken. Acht Wochen haben sie Software geschrieben und diverse Tücken
umschifft, teilweise wurden sie und die nicht ganz billige Hardware im
Rahmen eines Forschungprojekts der Telekom-Tochter DeTeBerkom bezahlt. „Die
digiTaz ist erst am Anfang“, sagt Dirk Rühmann vom PRZ. Bald soll es neben
jedem Artikel einen Knopf für Leserbriefe per e-mail geben.
Damit können die UserInnen den jeweiligen Autor ohne Umweg über den
Post-briefkasten direkt mit ihren Kommentaren bombardieren – ein ganz neues
Leser- Blatt-Verhältnis.
Der Clou aber ist der „Hypertext“. Im grauen Fließtext der taz- Artikel
sind einzelne Wörter wie zum Beispiel „Rudi-Dutschke- Haus“ blau
hervorgehoben. Wer den Begriff mit der Maus anklickt, erhält eine kurze
Hintergrund-Information über Dutschke. Das ist ein erster Schritt.
„Die Möglichkeiten des Internet werden erst mit ,Hyperlinks‘ richtig
ausgeschöpft“, so Dirk Rühmann. Diese „Hyperverbindungen“ (O
Science-fiction- verliebte Cyber-Gemeinde und deine Begriffe!) schließen
den Text direkt an eine Datenbank auf einem anderen Internet-Rechner an.
Wer in einem Text über Bill Gates das Wort „Microsoft“ anklickt, erhält so
den aktuellen Umsatz des Computer-Unternehmens und die Aktienentwicklung
der letzten Monate bis zum aktuellen Stand an der New York Stock Exchange –
wenn jemand von der taz das richtige Hyperlink gezogen hat.
## Die taz als Verteilerstation für Information
„Die taz würde dann als Verteilerstation für Information fungieren“, so d…
Informatiker Stephan Frühauf vom PRZ, „aus dem Meer an Daten würden einige
mit Hyperlinks an Artikel geknüpft. Damit übernimmt der Redakteur
allerdings auch die Verantwortung für die Qualität der Informationen, die
er empfiehlt.“
Das alles kostet natürlich auch Geld. Das heißt, irgendwie müßte die
finanziell stets klamme taz ihre Auslagen wieder hereinbringen – und das
bleibt schwierig im anti- kommerziellen Netz. Versandhäuser haben es da
einfacher. Sie preisen Bilder ihrer Ware im Internet an. Ein Kunde
bestellt, indem er seine Adresse und Kreditkartennummer angibt. Das Geld
wird vom Konto abgebucht, und die wirkliche Ware kommt dann in den nächsten
Tagen per Kurier. Das ist bei einer Zeitung natürlich unmöglich, denn hier
ist der Text die Ware. Außerdem kann jeder die digiTaz beliebig kopieren,
wenn sie erst auf die heimische Festplatte gezogen wurde.
„Wenn die Internet-Leute einen Mehrwert in der gelieferten taz erkennen,
dann sind sie freiwillig bereit, einen Obolus zu bezahlen“, denkt Dirk
Rühmann. Ansonsten ist die digiTaz ein Experiment, ein Teil des Stocherns
in den Möglichkeiten des prinzipiell nicht hirarchischen Internets.
„Zum ersten Mal in der Geschichte haben wir die Möglichkeit, gleichzeitig
mit Millionen unserer Mitmenschen zu kommunizieren, uns zu unterhalten und
zu bilden und die Sicht unserer nationalen Problem und Ereignisse
auszudehnen.“
Dies hat nicht irgendein Internet-Papst von sich gegeben, sondern der
damalige US-Handelsminister Herbert Hoover im Jahr 1924 – er sprach über
das neue Medium Radio. Eins war damals anders: Die Hörer hörten nur, sie
konnten nicht antworten. Die taz-LeserInnen können uns ab sofort in
Echtzeit loben oder prügeln.
🐾 Dieser Artikel erschien zuerst in der Printausgabe der taz vom 12. Mai
1995.
19 Mar 2025
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## AUTOREN
Reiner Metzger
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