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# taz.de -- Friedliches Miteinander gefährdet
> Gemeinsam singen für mehr Zusammenhalt, damit ist jetzt Schluss. Der
> Senat stellt die Förderung des Bildungsprogramms SING! ein
Von Anna Schors
In etwa zehn Berliner Schulen wird Singen als Mittel des Ausdrucks,
Austauschs und Lernens in den Schulalltag integriert. Dafür sorgt das
Bildungsprogramm SING! unter Leitung des Berliner Rundfunkchores seit 2011.
In wöchentlichen Workshops werden Lehrkräfte drei Jahre lang im Umgang mit
der eigenen Stimme geschult und lernen, wie gemeinsames Singen eingesetzt
werden kann, um im Klassenzimmer Konzentration und Gemeinschaftsgefühl zu
stärken. In altersübergreifenden Chören können die Schüler dann lernen, was
ihre Lehrer gelernt haben: Genaues Zuhören und aufeinander hören ist beim
Chorgesang so wichtig wie im Unterricht. Notenkenntnisse sind bei diesem
Unterricht nicht nötig, im Vordergrund stehen Spaß und Bewegung zur Musik.
Gesungen wird mehrsprachig: Neben deutschen stehen u. a. auch
brasilianische, türkische, koreanische, englische und französische Lieder
auf dem Programm. Pat:innen aus dem Rundfunkchor kommen regelmäßig zu
Besuch und einmal im Jahr stehen die Kinder im Rahmen der „Liederbörse“
gemeinsam mit ihnen singend auf der Bühne der Berliner Philharmonie. Aber
damit soll nun Schluss sein: Die Senatsverwaltung für Bildung und Familie
hat entschieden, die jährliche Förderung von 100.000 Euro zum 31. März
einzustellen. Für SING! würde das ein abruptes Ende schon ab dem 1. April
bedeuten.
Zu den betroffenen Schulen gehört auch die Grundschule am Koppenplatz in
Berlin-Mitte. Dort unterrichtet Martin Schwarze seit zehn Jahren Kunst und
Musik. Gemeinsames Singen fördere bei Kindern vor allem Selbstbewusstsein
und Zusammenhalt: „Sie lernen, ihre Emotionen auszudrücken, sie lernen,
dass jeder eine wichtige Rolle hat. Dabei wird niemand ausgeschlossen, es
entsteht ein Ort der Freude und alle strahlen. Das kann nur das Singen.“
Auch Inklusion spiele eine Rolle: „Wir haben alle möglichen Nationalitäten.
Viele Kinder kommen in die Schule und sprechen kein Wort Deutsch.“ Singen
helfe nicht nur beim Spracherwerb, sondern gebe Kindern mit anderer
Muttersprache die Chance, mal in die Expertenrolle zu schlüpfen: „Wenn ein
türkisches Lied dran ist, wende ich mich natürlich an die Türkinnen und
Türken in der Klasse und sage ihnen: Ihr müsst uns jetzt mal helfen bei der
Aussprache.“
Innerhalb des Kollegiums diene SING! vor allem dazu, einen strukturellen
Mangel auszugleichen. Es gebe zu wenig ausgebildete Musiklehrer:innen, oft
müssten fachfremde Lehrkräfte einspringen. Schwarze, selbst kein studierter
Schulmusiker, erklärt: „Es gibt kaum eine Grundschule, wo Musikunterricht
durch Fachlehrkräfte abgedeckt wird.
An unserer Schule gibt es nur eine ausgebildete Pädagogin mit Schwerpunkt
Musik. Alle anderen sind Quereinsteiger. Es gibt viele Lehrkräfte, die kein
Instrument spielen und sich nicht trauen, zu singen. Gerade ihnen helfen
die Workshops enorm.“ Die geplanten Kürzungen bereiten Schwarze große
Sorgen:„ Ich sehe ganz klar, dass das friedliche Miteinander gefährdet ist
und das gegenseitige Verständnis.“
Auch der Rundfunkchor protestiert: „Wir leisten seit Jahren einen
unverzichtbaren Beitrag zur musikalischen Bildung von Kindern an Berliner
Grundschulen […]Unsere Arbeit füllt Lücken, die die Bildungspolitik
hinterlässt. Wir sind es den Kindern schuldig, dieses wertvolle Projekt zu
retten“, heißt es in einer Pressemitteilung.
Vielleicht gibt es noch Rettung. Man wolle versuchen, die
Finanzierungslücke auf eigene Faust zu stopfen, sagt der Pressereferent des
Rundfunkchors Johannes Hartmann: „Wir versuchen, Spenden zu sammeln und
Kampagnen zu starten, damit wir über den Sommer kommen und das Programm
wenigstens bis zum Schuljahresende weiterführen können.“
27 Feb 2025
## AUTOREN
Anna Schors
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