# taz.de -- Fünf Hebel für die große Transformation | |
> Ein Team von Expert*innen beschreibt einen Instrumentenkasten zum | |
> Erreichen einer guten Zukunft für alle – und die Folgen zögerlichen | |
> Handelns | |
Von Annette Jensen | |
Der Club of Rome konstatiert: Die Politik hat sich als unfähig erwiesen, | |
Lösungswege für die globalen Probleme zu beschreiten. Bei den 17 | |
Nachhaltigkeitszielen gibt es erst bei 15 Prozent substanzielle | |
Fortschritte. Viele Staaten stecken tief in einer Schuldenkrise und zahlen | |
mehr Geld für Zinsen und Tilgung als für Klimaschutz und Bildung. | |
Auch Deutschland manövriert sich weiter in eine Sackgasse: Schon drei | |
Millionen Menschen leiden hierzulande an Ernährungsarmut, die Gesellschaft | |
spaltet sich, bei Verkehr und Wärme geht es mit dem Klimaschutz nicht | |
voran, der Ressourcenbedarf der Wirtschaft ist viel zu groß – um nur einige | |
Aspekte zu nennen. Dem will das Autor*innen-Kollektiv von „Earth for All | |
Deutschland“, das aus Expert*innen des Club of Rome und des Wuppertal | |
Instituts besteht, einen Kompass mit „Orientierungswissen“ entgegensetzen. | |
Das gelingt ihm, „Earth for All Deutschland. Aufbruch in eine Zukunft für | |
Alle“ ist ein wichtiges Buch. | |
Von „Weltuntergangsstimmung“ raten die Autor*innen ab: „Es gibt durchaus | |
Grund zum Optimismus, nicht durch Schönfärberei, sondern gestützt auf | |
solide Fakten.“ Gut gegliedert und verständlich formuliert beschreiben die | |
Autor*innen fünf Bereiche, in denen Kehrtwenden notwendig sind: Armut, | |
Ungleichheit und Empowerment, Ernährung und Energie. „Alle fünf Wenden | |
beeinflussen sich gegenseitig und müssen daher gemeinsam und sofort | |
erfolgen“, lautet die Ansage. Grundlage der Expertise ist ein Modell des | |
Millennium Instituts, das jeweils zehn ökologische, soziale und | |
wirtschaftliche Bereiche definiert und deren Wechselwirkungen berechnet | |
hat. „Trippelschritte“ in einzelnen Sektoren oder der Versuch, die Probleme | |
nacheinander anzugehen, müssen scheitern: Notwendig ist systemisches | |
Vorgehen. Dann können sich positive Entwicklungen gegenseitig verstärken. | |
Für Deutschland haben die Autor*innen zwei Szenarien berechnet – ein | |
mutiges und ein verzagtes. Die Autor*innen plädieren [1][für massive | |
Investitionen in die öffentliche Infrastruktur], in die Unterstützung des | |
Globalen Südens und Energiespartechniken für ärmere Haushalte. Zwar würde | |
die Staatsverschuldung dadurch zunächst ansteigen, doch ab 2050 wieder | |
sinken. Dagegen führe die Fortsetzung des bisherigen Wegs zu sehr hohen | |
Folgekosten durch Hitzestress, Fehlernährung und gesellschaftliche | |
Spannungen. Finanziert werden sollten die Programme nicht nur durch eine | |
gelöste Schuldenbremse, sondern vor allem durch Reichensteuern: In | |
Deutschland verfügen fünf Familien über mehr Vermögen als 42 Millionen | |
Menschen am unteren Ende der Skala. | |
Bisher fokussierten sich viele Förderprogramme auf neue Techniken. So kamen | |
das Heizungsgesetz und die Unterstützung für E-Autos finanzstarken | |
Haushalten zugute. Zugleich müssen Menschen mit wenig Geld gegenwärtig | |
drei- bis viermal so viel ihres Einkommens für Strom und Wärme ausgeben wie | |
Wohlhabende. Vor allem sie leben in schlecht isolierten Wohnungen. Steigen | |
die Kosten durch die für den Klimaschutz notwendigen CO2-Abgaben weiter, | |
werden Populisten versuchen, das ganze CO2-Preis-System zu kippen, warnt | |
der Club of Rome. Deshalb sollten künftig alle Maßnahmen einem Sozialcheck | |
unterzogen werden. Darüber hinaus gilt es, die Vorteile einer | |
klimafreundlichen Energieversorgung herauszustellen: Sind die Investitionen | |
erst einmal getätigt, wird es billiger und sicherer für alle. | |
„Eine andere Ökonomie ist nötig“, schreiben die Autor*innen. Wie diese | |
aussehen soll und ob damit das Ende des kapitalistischen Wirtschaftssystems | |
gemeint ist, wollen sie nicht beantworten. Sie verstehen ihr Buch als | |
Beitrag zur Debatte. Es zeigt klar, was notwendig und möglich ist. Der | |
Druck dafür wird kaum aus der Politik kommen. Deshalb beschreiben die | |
Autor*innen auch „Empowerment und Selbstwirksamkeit für alle“ als | |
entscheidenden Hebel für den Aufbruch in eine bessere Zukunft. | |
8 Feb 2025 | |
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## AUTOREN | |
Annette Jensen | |
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