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# taz.de -- berliner szenen: Der Rhythmus des Autos
Es ist elf Uhr vormittags unter der Woche, ich habe einen Termin, bin zu
früh und laufe an parkenden Autos vorbei, als ich komische Geräusche höre.
Es ist ein Stöhnen mit kleinen Schreien gespickt und sie kommen aus einem
von innen beschlagenen Auto mit buntem Kindersonnenschutz an den hinteren
Fenstern. Das Auto bewegt sich rhythmisch und quietscht auch noch dazu. Ich
kichere, weil es so lustig ist und denke an den französischen Film
„Delikatessen“, als der Rhythmus eines quietschenden Bettes dem gesamten
Haus den Takt vorgibt.
Eine Frau mit ihren Habseligkeiten in einem Einkaufswagen kommt vorbei,
guckt kurz zu und fragt dann mitleidig: „Is aber nicht dein Alter, nee?“
Ich sehe sie an, muss lachen und sage: „Nein, nein, ich bin hier nur so
langgekommen.“ Sie nickt und sagt: „Wetten? Entweder sind dis die Eltern,
weil se mal wieder ihr Sexleben aufpeppen müssen oder aber es is nur einer
von beiden mit wem anders und die können nirgendwo hin, weil se beide zu
Hause wen haben, also treiben se’s wie die Karnickel, wenn die Gören in der
Kita sind.“ Ich ziehe eine Grimasse, kichere und sage unbestimmt:
„Bestimmt.“ Sie zieht die Schultern hoch und sagt: „Na fragen wir mal nac…
wa?“
Ich sehe sie erschreckt an, aber da hat sie schon energisch an die Scheibe
geklopft. Ich würde gern im Boden verschwinden, weiß gar nicht wohin mit
mir, renne ein paar Schritte weg, bleibe dann aber stehen, weil Neugier
eine ziemlich schlimme Sache ist und sehe zurück. Die Frau redet in ein
offenes Fenster. Sie lacht. Nach kurzer Zeit schiebt sie den Einkaufswagen
weiter in meine Richtung und ruft: „Haste gewonnen, is der Alte, der’ne
andere im Familienauto knallt. Aber die sind gleich fertig, meinten se.“
Sie lacht mit vielen Falten und rissigen Lippen. Ich lache mit ihr und das
seitdem immer wieder.
Isobel Markus
14 Feb 2025
## AUTOREN
Isobel Markus
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