Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Aus Amsterdam Tobias Müller Typisch deutsch: Alarm, aber keine Pan…
Die braunste, rechtsradikalste Partei Europas – so nannte René Cuperus,
Deutschland-Experte des renommierten Clingendael-Instituts, unlängst in
einem Podcast des BNR Nieuwsradiodie AfD. Auch in den Niederlanden bestimmt
die Sorge vor dem harten Ruck Richtung rechtsaußen den Blick auf die
„oosterburen“ – also die „östlichen Nachbarn“, die man in den letzten
Jahrzehnten vor allem als stabilen EU- und engen Handelspartner
wahrgenommen hat.
Es ist also durchaus etwas ins Wanken geraten in dieser Gesellschaft, deren
Deutschlandbild sich in den letzten zwei Jahrzehnten stark zum Besseren
gewandelt hatte. Nicht mehr gebrüllte Befehle wie „Aufmachen!“ oder
„Mitkommen!“, bekannt von Nazis in Filmen, oder Witze über den verlorenen
Krieg prägten dieses Bild, sondern der weltoffene Geist der Merkel-Jahre.
Wer von Reisen über die Grenze zurückkehrte, lobte die Freundlichkeit der
Deutschen, die schöne Natur und – ganz Calvinist*in – die niedrigeren
Preise im immer beliebteren Urlaubsziel. Und jetzt?
Wiebke Pittlik, Chefredakteurin der Nachrichten-Website Duitslandweb, die
zum Duitsland Instituut in Amsterdam gehört, sieht die Sache mit
professioneller Nuanciertheit. Die deutsche Brandmauer hält sie für viel
selbstverständlicher als die in den Niederlanden, wo die extrem rechte
Partij voor de Vrijheid schon regiert. Lange bewunderte man Deutschland
dafür, dass es immun schien gegen den Rechtspopulismus. Insofern, sagt
Pittlik, gibt es auch viel Beachtung für die Großdemonstrationen vom
Wochenende: „Gerade weil wir hier nicht so schnell auf die Straße gehen.“
Sie berichtet aber auch von einem Deutschlandbild, das sich wandelt.
„Pünktlichkeit und Gründlichkeit, dieses Klischee haben die Leute noch
immer im Kopf. Doch wenn sie dann über die Grenze kommen, sieht es oft ein
bisschen ärmlicher aus. Sie bemerken den Zustand der Infrastruktur, und
über die Bahn kann wohl jeder eine Geschichte erzählen.“ Das Bild vom
„kranken Mann Europas“ wiederum findet Pittlik übertrieben.
Wie aber steht es um ein anderes Bild des Nachbarn, das gerade in den
Niederlanden viel beachtet wurde – Deutschland als vermeintlicher
„Erinnerungs-Weltmeister“? Emile Schrijver, Direktor des Nationaal
Holocaust Museum (NHM), hat darauf weiterhin Vertrauen. „In Ministerien,
bei hohen Beamten, bei den Botschaftern hier, überall sehe ich Menschen,
die weiter für dieses Gedankengut stehen, das ich so bewundere.“
Über den Aufstieg der AfD macht auch Schrijver sich „enorme Sorgen“,
gerade im Zusammenhang mit „konkreten Gewaltausbrüchen, Messerstechereien
und terroristischen Anschlägen“ und der damit verbundenen Gefahr der
politischen Eskalation. Zugleich mahnt er: „Wir müssen aufpassen, dass wir
die Problematik nicht nur im Licht der deutschen Geschichte, sondern auch
im geopolitischen Kontext sehen.“ Im Unterschied zu den USA habe
Deutschland noch keinen politischen Führer, der die Institutionen aushöhle.
Schrijvers Fazit: „Wir müssen alarmiert bleiben, aber sollten nicht in
Panik geraten.“
4 Feb 2025
## AUTOREN
Tobias Müller
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.