# taz.de -- taz🐾thema: Duell der Zellen | |
> Unsere körpereigene Abwehr kann Krebszellen bekämpfen – zumindest | |
> bedingt. Eine Immuntherapie unterstützt diesen Prozess. Dabei gibt es | |
> unterschiedliche Ansätze neuer Art | |
Bild: Forschung am Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie | |
Von Cordula Rode | |
Der Ansatz, das körpereigene Immunsystem in die Lage zu versetzen, den | |
Krebs zu bekämpfen, ist nicht neu. Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts | |
entdeckte der amerikanische Mediziner William Coley, dass bei einzelnen | |
Krebspatienten, die an einem Erysipel (umgangssprachlich Wundrose) erkrankt | |
waren, nach der Heilung dieser Infektion eine deutliche Remission der | |
Tumore zu beobachten war. Seine Forschungen und Erkenntnisse, die nach | |
heutigen Standards ethisch zweifelhaft sind, da er Patient:innen | |
absichtlich mit Erregern infizierte, gerieten in Vergessenheit, als es | |
große Fortschritte in den Bereichen der Bestrahlung und der Chemotherapie | |
gab. | |
Dank der modernen Forschung hat sich der Einsatz der Immuntherapie in den | |
vergangenen Jahrzehnten so erfolgreich weiterentwickelt, dass diese | |
Behandlung inzwischen – neben OP, Bestrahlung, Chemotherapie und | |
zielgerichteten Therapien – zu den fünf Säulen der Krebsbehandlung gehört. | |
Dabei gibt es unterschiedliche Ansätze und Wirkmechanismen. Das | |
Grundprinzip besteht darin, das Immunsystem in die Lage zu versetzen, | |
bösartige Zellen erkennen und bekämpfen zu können. Was leichter klingt, als | |
es ist, denn die Krebszellen sind oft Meister der Tarnung. | |
„Am häufigsten werden in der klinischen Routine die | |
Immun-Checkpoint-Inhibitoreneingesetzt“, erläutert Susanne Weg-Remers, | |
Leiterin des Krebsinformationsdienstes des Deutschen | |
Krebsforschungszentrums in Tübingen. Diese Checkpoints sind Kontrollstellen | |
des Immunsystems und begrenzen normalerweise die Immunreaktion. Sie sorgen | |
dafür, dass das Immunsystem nicht zu stark reagiert und verhindern, dass | |
gesunde Zellen angegriffen werden. Manche Tumorzellen sind in der Lage, | |
diese Checkpoints zu aktivieren und dadurch zu verhindern, dass sie als | |
„Feinde“ erkannt und bekämpft werden. Checkpoint-Inhibitoren, auch | |
Checkpoint-Hemmer genannt, lösen diese „Bremsen“ und verstärken damit die | |
Immunantwort auf Tumorzellen. | |
„Es gibt bereits einige zugelassene Medikamente, die mit Erfolg eingesetzt | |
werden“, so die Medizinerin. Dabei handle es sich aber nicht um ein | |
Wundermittel: „Nicht jeder Patient, nicht jede Krebsart und nicht jeder | |
Tumor spricht auf diese Therapie an.“ Umfangreiche Studien sollen die | |
Ursachen für diese Unterschiede klären und eine Prognose erlauben, für | |
welche Patient:innen die Therapie Erfolg verspricht. Das Potenzial ist | |
aber eindeutig. „Bei Menschen, die an Lungenkrebs erkrankt sind, sprechen | |
etwa 25 Prozent der Erkrankten auf die Behandlung an,“ erklärt Susanne | |
Weg-Remers. Die Nebenwirkungen, die auftreten können, entsprechen dabei den | |
Symptomen, die von Autoimmunerkrankungen bekannt sind: Fieber, Ausschläge, | |
Entzündungen. Aber: „Diese Nebenwirkungen sind zwar unangenehm, zeigen | |
aber, dass das Immunsystem auf die Therapie anspricht und aktiv ist.“ | |
Ein weiterer vielversprechender Ansatz ist die CAR-T-Zelltherapie. Sie ist | |
allerdings weit aufwendiger, da sie individuell auf die Patient:innen | |
abgestimmt werden muss. Dabei werden körpereigene Immunzellen so | |
umprogrammiert, dass sie Krebszellen erkennen und abtöten können. Diese | |
Immunzellen bezeichnet man als T-Zellen. Sie sind normalerweise im Körper | |
dafür zuständig, erkrankte Zellen zu vernichten. In die T-Zellen wird der | |
Bauplan für eine künstliche Erkennungsstelle (Rezeptor) eingeschleust, die | |
Merkmale auf den Tumorzellen erkennen kann. Dieser Rezeptor heißt chimärer | |
Antigen-Rezeptor (CAR). | |
Nur wenige spezialisierte Zentren bieten diese Therapie an. Die Behandlung | |
erfolgt zwar nur einmalig, erfordert aber einen hohen medizinischen | |
Aufwand. Als Patientin oder Patient bekommt man dafür zunächst Blut | |
abgenommen, aus dem die Immunzellen herausgefiltert werden. Diese werden an | |
ein spezialisiertes Labor gesendet, dort mit dem Bauplan für den CAR | |
versehen und vermehrt. | |
In der Regel dauert es mehrere Wochen, bis die fertigen CAR-T-Zellen zur | |
Verfügung stehen. Aufgrund der zu erwartenden starken Nebenwirkungen – auch | |
hier aufgrund der überschießenden Immunreaktion – müssen die Erkrankten mit | |
einem stationären Aufenthalt von durchschnittlich etwa zwei Wochen rechnen. | |
Die CAR-T-Zelltherapie, die seit rund zehn Jahren eingesetzt wird, ist | |
besonders geeignet für Menschen mit bestimmten Blutkrebserkrankungen | |
(Leukämien und Lymphome), wenn die Standardtherapie nicht mehr wirkt. Bei | |
einzelnen der ersten therapierten Lymphomerkrankten trat kein Krebs mehr | |
auf, sodass Fachleute sogar von einer möglichen Heilung ausgehen. Es ist | |
aber aufgrund der relativ kurzen bisherigen Beobachtungsdauer noch nicht | |
verlässlich möglich, zu beurteilen, ob der Krebs vielleicht nach längerer | |
Zeit wieder zurückkehren könnte. | |
Susanne Weg-Remers stellt klar: „Es ist noch viel Forschung notwendig, um | |
das ganze Potenzial der Immuntherapie ausschöpfen zu können.“ Und nach | |
ersten Erfolgsmeldungen springen auch leider sehr viel unseriöse Anbieter | |
auf den Zug auf, die mit der Verzweiflung der Menschen Geld verdienen. | |
Deshalb rät die Medizinerin: „Alle wissenschaftlich nicht fundierten | |
Angebote auf Selbstzahlerbasis sind mit absoluter Vorsicht zu behandeln – | |
eine unabhängige Beratung kann vor solchen Betrügereien schützen.“ | |
1 Feb 2025 | |
## AUTOREN | |
Cordula Rode | |
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