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# taz.de -- Interview zur Seitenwende: „Ich lese Gedrucktes“
> Mit 97 Jahren gehört Hans Heller zu den ältesten aktiven taz-Lesenden
> überhaupt. Zeit für ein Gespräch über Fehler in der taz, die Klimakrise
> als Bedrohung und Kreuzworträtsel als Priorität.
Bild: Der taz-Leser Hans Heller bei sich zu Hause, das Interview führten wir p…
taz: Herr Heller, heute sind Sie 97 Jahre. Wie lesen Sie eine Tageszeitung
wie die taz?
Hans Heller: Ich stehe gegen halb neun auf, und dann hat meine
Lebensgefährtin meistens das Frühstück gemacht. Zwischendurch gehe ich an
den Briefkasten und hole die taz rauf. Wenn wir fertig gefrühstückt haben,
lesen wir gemeinsam die taz.
taz: Tauschen Sie die Zeitungsteile dann untereinander?
Heller: Ich bekomme als Hausherr den ersten Teil, und sie nimmt den zweiten
Teil, taz zwei. Irgendwann tauschen wir. Manchmal lese ich die letzte
Seite, [1][die Wahrheit-Seite zuerst]. Da stehen immer so witzige Sachen
drin.
Hellers Frau, Anne Straeter, betritt das Zimmer. Anne Straeter: Ich wollte
Ihnen auch sagen, dass ich die letzte Seite, die Satireseite der taz, so
liebe. Sie geht wieder.
taz: Und wie lesen Sie unsere Wochenzeitung, die wochentaz?
Heller: Am Samstag schlage ich zuerst [2][den Kulturteil] auf. Da ist ja
hinten das Kreuzworträtsel. Das löse ich, bevor ich die Zeitung lese.
taz: Welche Rubriken in der Zeitung sind Ihnen besonders wichtig?
Heller: Die [3][Klima-Seite] finde ich sehr wichtig. Das Klimathema steht
für mich fast im Vordergrund von allen Themen.
taz: Viele haben aktuell das Gefühl, dass es beim Klima fünf vor zwölf ist
und sich mehrere Krisen überschlagen.
Heller: Fünf vor zwölf ist es mit dem Klima. Das ist also eine Bedrohung,
die ganz anders ist als eine politische Bedrohung.
taz: Sie sagen das über die Klimakrise, obgleich Sie den
Nationalsozialismus erlebt und dazu veröffentlicht haben.
Heller: Selbst mit dem Nationalsozialismus sind wir ja eines Tages, wenn
auch unter furchtbaren Opfern, fertig geworden. Mit der Klimakrise wird
man nicht eines Tages fertig, wenn man nicht dauernd etwas dagegen global
tut und verhindert, dass es zum Schlimmsten kommt.
taz: [4][Als 1978 die erste Nullnummer der taz erschien], waren Sie 51
Jahre. Seit wann lesen Sie uns?
Heller: Das weiß ich nicht mehr. Ich lese die taz aber schon sehr lange.
taz: Haben Sie früher mal andere Zeitungen gelesen, die Bild etwa?
Heller: Die Bild war von Anfang an furchtbar unverhohlen rechts, und von
rechts hatten wir eigentlich gerade genug damals. Aber welche Tageszeitung
ich vorher hatte, weiß ich nicht mehr. Was wir in der Nazizeit und der
Kriegsgefangenschaft gelesen haben und was ich darüber denke, das könnte
ich sagen. Aber die Zwischenzeit ist vergessen, erstaunlicherweise.
taz: Wieso sind Sie der taz bis heute treu geblieben?
Heller: Die taz, das ist für meine Begriffe ein Qualitätsblatt. Die
positive Richtung entspricht meinen Auffassungen. Ich habe bei den Texten
eigentlich nie das Erlebnis, dass ich mich darüber aufrege, wie irgendwas
dargestellt wird. Das ist bei anderen Zeitungen schon so.
taz: Viele taz-Lesende schneiden gerne Artikel aus, Sie auch?
Heller: Letztens war in der Zukunft die Überschrift „[5][Warum K.I. nicht
halluziniert, sondern einfach Quatsch erfindet.]“ Also, ich stehe dem
Einsatz der K.I. sehr skeptisch gegenüber, und deshalb war das Balsam.
(lacht) Das habe ich mir ausgeschnitten.
taz: Da war Ihnen die taz also besonders kostbar.
Heller: Nein, das kann man so nicht sagen. Es gibt öfters Artikel, die
aufhebenswert sind, aber wo kommen wir da hin? Ich habe früher
bemerkenswerte Artikel aus den Zeitungen ausgeschnitten, thematisch
sortiert und archiviert. Irgendwann hab ich die Sachen weggeworfen. Ich
habe einen guten Bekannten, der meine ganzen tazzen nach mir liest.
taz: Ärgern Sie sich manchmal über die taz?
Heller: Besonders geärgert wäre übertrieben, aber manchmal finde ich die
Fehlerhäufigkeit zu groß. Sie lächeln. Was haben Sie jetzt vor?
taz: Ich denke über die nächste Frage nach. Die taz lebt seit fast 50
Jahren. Schaffen wir weitere 50?
Heller: Dass ich das nicht mehr erlebe, das ist ja sicher. Ich kann mir
nicht vorstellen, wie das Leben dann ist. Wenn man nur daran denkt, dass
wir uns vor 50 Jahren kaum hätten vorstellen können, dass die gedruckte
Zeitung nach und nach verschwindet, dass wir mittels Handy eine Zeitung
lesen oder wir uns hier am Computer unterhalten, das wird in 50 Jahren
völlig überholt sein.
taz: Nach dem 17. Oktober 2025 drucken wir die wochentaz weiter, die
Werktagsausgabe erscheint dann in der App und als E-Paper. Sie sagten
vorhin, Sie lesen die taz, weil sie täglich gedruckt wird. Wie blicken Sie
auf die sogenannte Seitenwende der taz?
Heller: Mit Sorge! Denn ich hab daneben die Zeit, aber die erscheint ja
auch nur wöchentlich. Allerdings kriegt man auch sonst Tagesnachrichten
mit. Immer um 20 Uhr sehe ich die Nachrichten und später die „Tagesthemen“.
Ich bin nicht aufgeschmissen, auch wenn es keine Tageszeitung mehr gibt.
Sogar am Computer, wenn ich die E-Mail-Seite aufmache, dann sind dort,
bevor man sich einloggt, eine ganze Reihe aktueller Nachrichten. Das lese
ich immer alles. Es kommt also manchmal vor, dass meine Lebensgefährtin mir
etwas morgens aus der Zeitung vorliest und ich kann das dann ergänzen um
etwas, das ich hier im Computer schon gelesen habe.
taz: Werden Sie das [6][E-Paper oder die App ausprobieren]?
Heller: Na ja, das wird nicht ausbleiben. Ich bin ein richtiger Bücherwurm,
und ich lese Gedrucktes. Ich mag es nicht, online zu lesen. Trotzdem werde
ich das dann vielleicht mal probieren. Die völlige Ablehnung setzt voraus,
dass man mindestens mal reinschnuppert. Ich kann ja nicht sagen, das ist
nichts für mich, wenn ich gar nicht weiß, wie das ist.
taz: Heißt das, Sie können unseren Schritt nachvollziehen?
Heller: Dass das früher oder später kommen muss, ja, und dass das das
Schicksal aller Zeitungen ist, die vorwiegend zum Lesen sind. Anders ist
das bei Zeitschriften, die irgendwelche wunderbaren Gemälde oder Fotos
zeigen. Das völlige Verschwinden von gedruckten Zeitungen, ob ich das noch
miterlebe, das weiß ich nicht.
29 Jan 2025
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## AUTOREN
Felix Bouché
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