# taz.de -- Amazonas-Regenwald vor dem Kipppunkt | |
> 2024 war kein gutes Jahr für den gigantischen CO2-Speicher. Rettung | |
> könnte mehr Kooperation und Mitsprache indigener Völker bringen | |
Doppelt so groß wie Indien erstreckt sich das Amazonasgebiet über acht | |
Länder quer durch Südamerika. Riesige Mengen Kohlendioxid fängt es auf, die | |
sonst in die Erderwärmung fließen würden. Doch das gerade vergangene Jahr | |
war für den Amazonas-Regenwald düster. „Die Brände und die Dürre 2024 im | |
Amazonas-Regenwald könnten unheilvolle Anzeichen dafür sein, dass wir den | |
lange befürchteten ökologischen Kipppunkt erreichen“, sagt Andrew Miller, | |
Direktor der Umwelt- und Menschenrechtsorganisation Amazon Watch. „Das | |
Zeitfenster, den Trend umzukehren, schließt sich.“ | |
Es gab aber auch Lichtblicke: Sowohl in Brasilien als auch in Kolumbien | |
ging die Abholzung des Amazonaswaldes zurück. In Brasilien nahm sie | |
zwischen August 2023 und Juli 2024 um 30 Prozent ab, die Zerstörung | |
erreichte den niedrigsten Stand seit neun Jahren. Der Erfolg wird dem | |
linksgerichteten Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva angerechnet, der | |
den Kurs seines Vorgängers umkehrte. Der rechtsextreme Jair Bolsonaro hatte | |
die Ausweitung der Agrarindustrie stets vor den Schutz des Waldes gestellt | |
und die Umweltbehörden geschwächt. | |
Auch Kolumbien meldete Mitte des Jahres einen historischen Tiefstand bei | |
der Waldvernichtung. Umweltministerin Susana Muhamad warnte aber, dass der | |
Erfolg wohl nicht für das gesamte Jahr gelte. Schon im Juli sei wieder ein | |
zunehmender Waldverlust zu verzeichnen gewesen. | |
Ein Problem bleibt die illegale Abholzung. „Man kann unmöglich die | |
Bedrohung übersehen, die das organisierte Verbrechen und die von ihm | |
kontrollierte Wirtschaft für den Schutz des Amazonas darstellen“, sagt Bram | |
Ebus von der internationalen Organisation Crisis Group. „Der illegale | |
Goldabbau wächst rapide, angetrieben von steigenden Weltmarktpreisen.“ Die | |
Einnahmen aus diesen Geschäften überstiegen oft die staatlichen Budgets für | |
ihre Bekämpfung. | |
Die auch durch die Abholzung begünstigten Brände waren der Stiftung | |
Rainforest Foundation US zufolge die schlimmsten in der Region seit 2005. | |
„Waldbrände sind zu einer Konstante geworden“, sagt der Umweltanwalt César | |
Ipenza, der im peruanischen Amazonasgebiet lebt. Auch er fürchtet, dass | |
bald ein Punkt erreicht sein könnte, an dem der Regenwald nicht mehr zu | |
retten ist. Er glaubt aber auch, dass die Rolle des Amazonas für das | |
Überleben der Gesellschaft zunehmend anerkannt werde. | |
Helfen können dabei die indigenen Gemeinschaften aus der Region, deren | |
Blick seit jeher dem Schutz ihrer Umwelt galt. Umweltfachleute begrüßen | |
daher, dass sich die Teilnehmer der UN-Biodiversitätskonferenz im November | |
in Kolumbien auf mehr Mitspracherechte indigener Völker bei Entscheidungen | |
zum Naturschutz verständigten. | |
Dringend nötig ist nach Ansicht des Crisis-Group-Experten Ebus aber auch | |
eine engere Zusammenarbeit der Amazonas-Länder bei der Strafverfolgung von | |
illegaler Abholzung, der Bekämpfung von Bränden oder der medizinischen | |
Versorgung in abgelegenen Gebieten. Dazu aber bräuchten die Anrainer Hilfe, | |
sagt Ebus: „Das Wohlergehen des Amazonasgebiets ist eine gemeinsame globale | |
Verantwortung.“ (AP) | |
2 Jan 2025 | |
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