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# taz.de -- Team Deutschland vor der Handball-WM: Eine gewisse Reife
> Fünf Jahre ist Alfreð Gíslason schon Handball-Bundestrainer. Seine Arbeit
> ist so solide, dass Team Deutschland als Mitfavorit in die Handball-WM
> geht.
Bild: Nachdrückliche Ansagen: Bundestrainer Alfred Gislason in Aktion
Sein Blick auf die Mannschaft hat sich verändert, ist milder, sachlicher
geworden, vertrauensvoller auch. [1][Alfreð Gíslason hat eine Zeit
gebraucht], um sich an die Arbeit als Nationaltrainer zu gewöhnen; er hat
ja vor Jahren schon mal die Isländer trainiert, doch das war etwas anderes,
das war nur eine Station auf dem weiteren Weg als Vereinstrainer.
Seit Februar 2020 kümmert sich der inzwischen 64 Jahre alte Handballcoach
nun um die erste Auswahl des Deutschen Handballbunds (DHB). Der Weg hätte
kaum steiniger sein können während dieser sechs Großturniere, beginnend mit
einer WM (in Ägypten) und einer EM (in Ungarn und der Slowakei) im Zeichen
der Coronapandemie.
Wenn dieser Gíslason nun gefragt wird, welchen Anteil er an der
harmonischen Stimmung im Team hat, antwortet er auf typische Art: „Ich habe
immer wieder die Gleichen eingeladen.“
## Drängende Platzhirsche
Dem wohnt eine inhärente Kritik inne. Denn bis vor einem Jahr geisterten da
immer noch andere Namen herum, die er gern gehabt hätte, die aber nicht
mehr wollten – vor allem der des Kieler Abwehrchefs Hendrik Pekeler. Lange
haderte Gíslason damit, dass gerade gealterte THW-Profis nicht mehr für
Deutschland spielen mochten. Auch die Nachwuchsbedingungen anderer Länder
pries er. Beides klang nach schwächeren Platzierungen mit „seinen“
Deutschen immer wie eine Ausrede.
Von Platzhirschen wie Bob Hanning gedrängt, vom Verband sanft dorthin
geschoben und letztlich auch selbst dran glaubend, hat Gíslason dann die
Klagen eingemottet und eine Gruppe um die Achse Wolff-Golla-Knorr-Köster
gebaut. Als die Youngster Renārs Uščins, David Späth, Nils Lichtlein und
Justus Fischer im Sommer 2023 Weltmeister der U21 wurden, musste Gíslason
einen Platz für sie finden.
Statt den unwilligen Oldies weiter eine Träne nachzuweinen, hat Gíslason
seinen Stamm mit den jungen gemischt, und herausgekommen ist eine
Mannschaft, die bei der Heim-EM vor einem Jahr Vierter wurde und bei den
Olympischen Spielen nach begeisternden Spielen – das Finale ausgenommen –
die Silbermedaille gewann.
Gíslason lehnt sich ungern aus dem Fenster. Schon zu Kieler Zeiten warnte
er vor dem nächsten Gegner, selbst wenn das der punktlose Tabellenletzte
war. Diesmal hat er die Deutschen als Gruppenfavoriten ausgemacht –
immerhin. [2][Wenn es ab Mittwoch in Herning bei der Weltmeisterschaft in
Dänemark, Norwegen und Kroatien] gegen Polen, die Schweiz und Tschechien
geht, sind die weitgehend verletzungsfreien, zuversichtlichen und gut
gelaunten DHB-Profis Anwärter auf das Halbfinale. Es wäre das erste seit
der Heim-WM 2019.
Doch nach einer leichten ersten Phase mit den Polen als stärkstem Gegner
und einer Hauptrunde, in der von den Topteams nur Dänemark wartet, hält der
WM-Modus ein Viertelfinale bereit, das alle womöglich guten Ergebnisse
zuvor ausradieren oder bestätigen kann. Es hat sich einiges getan beim DHB.
Mit Benjamin Chatton gibt es endlich den Nationalmannschaftsmanager, der
sich um alle kleinen Belange einer Mannschaft kümmert – gutes Essen
beispielsweise.
## Strahl- und Zugkraft
Er ist aber kein Gute-Laune-Onkel, sondern ein relevanter Partner für
Gíslason, der ja das meiste selbst macht. Drüber sitzt als Vorstand Sport
nun Ingo Meckes in der Nachfolge von Axel Kromer. Meckes bringt viel
Erfahrung aus dieser Rolle in der Schweiz mit, wirkt klar in seinen Zielen
und in der Benennung der Schwächen.
Da ist also ein Apparat gewachsen, der den gesamten Komplex
Männernationalmannschaft professioneller gestalten will, was angesichts
der Strahl- und Zugkraft dieses Teams nur angemessen erscheint, hat der
Handball hierzulande doch nur jeden Januar die große Bühne, während die
Bundesliga ein regionales oder lokales Phänomen bleibt.
Er habe eine austrainierte, willige Mannschaft, die sich freue, sich
wiederzusehen, lobte Gíslason in der Hamburger Testwoche, die am
Donnerstagabend mit dem deutlichen Sieg in Flensburg gegen Brasilien einen
ersten Fingerzeig bot. Ja, diese Gruppe strahlt etwas aus, tritt weniger
verzagt auf als früher, hat den Glauben daran gefunden, die Großen schlagen
zu können.
Ein paar Restzweifel bleiben, waren die Wege ins Halbfinale letzthin auch
solche günstiger Verläufe und jeder Menge Spielglück. Auch wird und muss
Gíslason bei einem derart zehrenden Turnier der zweiten Reihe rund um Luca
Witzke, Christoph Steinert und Justus Fischer vertrauen.
Nicht zuletzt wird es einen Torwart Andreas Wolff brauchen, der an famose
Quoten anknüpft und vielleicht eine besondere Motivation daraus zieht,
gerade zum ersten Mal Vater geworden zu sein.
14 Jan 2025
## LINKS
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Alfre%C3%B0_G%C3%ADslason
[2] https://www.ihf.info/media-center/news/2025-ihf-mens-world-championship-sch…
## AUTOREN
Frank Heike
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