Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Aus dem Magazin taz FUTURZWEI: Eure Empörung ist ihr Geschäftsmod…
> Reaktionärer Backlash auf Instagram: Wollen Tradwives emanzipierte Frauen
> an den Designerherd bringen? Oder geht's am Ende doch nur um die Kohle?
Bild: Frauen gegen Freiheit: Traditionelle Rollenbilder zahlen sich aus – auf…
[1][taz FUTURZWEI] | Sie schauten mich an, als hätte ich gerade verkündet,
Hausfrau zu werden. Glitzerndes Entsetzen, funkelnde Abneigung, schimmernde
Neugier – suchen Sie sich was raus.
Wir saßen zu fünft im „Lass uns Freunde bleiben“ in Berlin-Mitte und
schlürften Weinschorle. Und ich hatte doch nur mein Plädoyer gehalten, dass
die traditionelle Hausfrauen-Pose einer hypererfolgreichen Riege von
Influencerinnen eigentlich ziemlich smart sei. Hatte gedacht, meine
Freundinnen würden sich meiner These im Namen der globalen „Jede wie sie
will“-Schwesternschaft unweigerlich anschließen.
Falsch gedacht.
„Hannah trägt Verantwortung für die Unterdrückung, die sie in jedem ihrer
Videos romantisiert“, zischt meine Freundin, und ihr Blick ist Eis. Brrrr.
Hannah ist natürlich Hannah Neeleman, die in den letzten Jahren sogar eine
Freiwilligentruppe von Emanzen-Girlies zum Brotbacken gebracht hat.
Nebenher ist sie unglaublich normschön, eine blonde Ballerina, die am Ende
der Welt – in Utah – eine Farm aufbaut, damit ihre acht Sprösslinge mit
Cowboyhüten und dreckigen Schnuten durch Wiesen rennen können.
## Fast wie „Brangelina“
Und dann ist da die deutsche Nara Smith, auch sie bereitet in ihren kleinen
Videos alles selbst zu, sogar Cola, Cornflakes und Kaugummi, aber in
plüschig weißen Miu-Miu-Kostümen, und sie trägt dabei Armreife von Cartier.
Smith und ihr Ehemann sind Models in ihren frühen Zwanzigern und haben vier
lockenköpfige Kinder.
Es gibt keine Luxusmarke, die die beiden und das, wofür sie stehen, nicht
haben wollen. Sie entfalten im Doppelpack eine Hypnose, wie es zu seiner
Zeit nur das funkelnde Brangelina-Paar vermochte.
„Stopped by Hannah’s for lunch“, schrieb Nara Smith ganz casual auf ihrem
Instagram-Account. Als wäre das Treffen der beiden nicht das größte
Ereignis des Jahres 2024 gewesen.
Ein genialer Marketing-Schachzug. Jede sterbliche Person mit vier Kindern
wäre vermutlich etwas verschwitzt auf dieser Farm im Nirgendwo angekommen;
Smith sah selbstredend perfekt aus in ihrem artigen Kleid im 1950er-Stil.
Sie treibt es mit solchen Details mit bestem Gewissen auf die Spitze. Man
kann nirgendwo anders hinschauen, auch wenn man es so gerne würde.
## Träume vom Haushaltsregiment
Falls Sie das nicht wissen sollten: Seit Monaten sitzen Menschen in
lauschigen Ecken zusammen und sprechen über diese beiden Frauen. Der Ton
ist entweder schockiert oder süffisant. Auf jeden Fall finden alle sie
schlimm.
Wir hier am Tisch sind in ihrem Alter, aber ledige Langzeitstudierende ohne
Träume von einem Haushaltsregiment, eher so old-school „Sex and the
City“-Vibes, wo der Herd auch nur zur Aufbewahrung von süßen Kleidern
praktisch war. Wir haben alles diskutiert. Dass beide den à la mode
illiberalen Mormonen angehören. Selbstverständlich das Porträt in der
britischen Times, das Neeleman als traurige und von ihrem Mann unterdrückte
Frau dargestellt hat. Die Tatsache, dass ihr der große Aufschrei vor allem
neue Follower gebracht hat.
Eine von uns sagt, man darf die beiden nicht bemitleiden, Männer hin oder
her, sie seien Täterinnen, die ausbeuten, dass der Wind sich gerade wieder
in Richtung traditionelle Identitäten dreht.
„Reaktionäre Identitäten“, korrigiert eine andere.
Die hochstilisierten Bilder davon, was es bedeutet, eine Frau zu sein,
werden in Millionen von Köpfchen hängen bleiben. Nicht nur bei den Frauen,
die mit ihnen tauschen wollen.
Bei der nächsten Runde Wein explorieren wir angestachelt die Idee einer
großen mormonischen Weltverschwörung, die auch uns an den Designer-Herd
kriegen will.
## Spielen mit der patriarchalen Unterwerfung
Nara Smith und Hannah Neeleman, die beiden saßen bei ihrem Treffen so
zusammen am Tisch, wie wir fünf jetzt, wobei es bei ihnen wohl niemals eine
alkoholische Schorle gäbe. Sie sind berufstätig, sie sind selbstständig,
sie sind Schauspielerinnen und ihre eigenen Regisseurinnen – und beide
haben ein grandioses Konzept.
Es geht um Provokation. Warum sonst würde Smiths auffällig blauäugiger
Ehemann Lucky Blue in der Küche sogar die Sonnencreme selbst anrühren? Sie
wissen, was manche Leute komplett fertig macht, und das liebt der
Algorithmus. Sie spielen mit ihrer eigenen patriarchalen Unterwerfung, um
dann immerhin von ihr im großen Stil zu profitieren. Das ist klug.
„Eure Empörung ist ihr Geschäftsmodell“, sage ich meinen Freundinnen.
Darüber sind sie erst recht empört.
„Und dich haben sie ausgetrickst“, sagt eine von ihnen.
Schwestern: Ich habe nie gesagt, dass diese beiden Frauen auf der
moralischen Seite des Showbusiness stehen.
■ Dieser Artikel ist im Dezember 2024 in unserem Magazin [2][taz FUTURZWEI]
erschienen. Lesen Sie weiter: Die aktuelle Ausgabe taz FUTURZWEI N°31 mit
dem Titelthema „Gemeinsinn“ gibt es ab dem 10. Dezember im [3][taz Shop].
23 Dec 2024
## LINKS
[1] /taz-FUTURZWEI/!v=8ce19a8c-38e5-4a30-920c-8176f4c036c0/
[2] /!v=8ce19a8c-38e5-4a30-920c-8176f4c036c0/
[3] https://shop.taz.de/product_info.php?products_id=245578
## AUTOREN
Paulina Unfried
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.