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# taz.de -- Bernhard Pötter Wir retten die Welt: Wenn uns dieKomfortzoneverlä…
Und dann auch noch dieses Wetter. Mittwoch früh: Morgengrauen im doppelten
Wortsinn. Draußen hängt der zähe Nebel über den kahlen Bäumen und nassen
Blättern, es nieselt und aus dem Fernseher tropft es nicht nur grau,
sondern dunkelschwarz. Die USA wählen einen Mann zum Präsidenten, der mit
der Abrissbirne gegen Demokratie, Umweltschutz, Anstand und Vernunft
vorgeht. Die nächsten vier Jahre werden schlimm, auch bei der Klimapolitik.
Dabei brauchen wir genau in dieser Zeit dringend radikale
Emissionssenkungen, sonst sind die 1,5 Grad dann wirklich futsch. Seufz.
Und dann auch noch der Abend: Scholz schmeißt Lindner raus. So erleichternd
das Ende vom Ampel-Gehampel, so tiefschwarz die Aussicht:
Minderheitsregierung, Stopp aller Projekte in der Pipeline, Neuwahl mit
Ergebnis Schwarz-Rot: Klima- und Umweltschutz in Deutschland eingedampft
auf Wasserstoff-Flugtaxis und Jutebeutel. Dem angeblichen Totalversagen der
Grünen in dieser Bundesregierung werden wir lange nachtrauern.
Es gibt also gute Gründe zum Verzweifeln, und da ist die Novemberdepression
noch gar nicht dabei. In Washington, Sachsen und Thüringen gewinnen die
autoritären Totengräber der Demokratie, sauber demokratisch. Das bedeutet:
Wir verlassen die Komfortzone. Oder besser: Sie verlässt uns. Lange war
unausgesprochen klar, dass uns im reichen, aufgeklärten und demokratischen
Westen der Welt nicht viel Schlimmes passieren kann – von einer bösen
Krebsdiagnose mal abgesehen. Wir richten uns gemütlich ein und spenden für
Flüchtlinge, aber dann doch lieber aufs Sofa und die neue Serie gestreamt –
vor allem im November.
Jetzt klopft plötzlich schon wieder Trump an unsere Tür. Und demnächst die
AfD. Und dann Starkregen, der unser Sofa flutet. Der Krieg ist noch nicht
da, rückt aber näher. Flüchtlinge sieht man überall. Und die Temperaturen
haben in diesem Jahr weltweit endgültig die Komfortzone verlassen. Es wird
immer enger, selbst bei uns, das ist das Gefühl. Und wir, die alle
Freiheiten und Möglichkeiten haben, fühlen uns hilf- und machtlos.
Also hilft nur: Gleiches mit Gleichem beantworten. Raus aus der
Komfortzone. Runter vom Sofa. Sich aufregen, einbringen, mitmachen. Rein in
die Nachbarschafts-Cliquen, Bürgerinitiativen, Parteien. Mütze aufsetzen
und raus ins nieselige Novembergrau. Heimlich Fahrradstreifen auf die
Straße malen, Leute ansprechen, zuhören, Probleme lösen statt Kulturkämpfe
führen. Endlich diese blöde Wärmepumpe installieren lassen und mal wieder
wie früher vernünftig mit dem Onkel reden, der längst AfD wählt. Demokratie
und Klimawende als Do-it-yourself begreifen und nicht an Abgeordnete
delegieren. Für gutes Leben, Überleben und unsere Zukunft einstehen, sich
einbringen, anstrengen. Und dem großen orange Satan den Slogan klauen:
„Fight, fight, fight!“
8 Nov 2024
## AUTOREN
Bernhard Pötter
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