Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Hass und Lügen statt Kampf um das bessere Argument
> Die Wahlen in den USA waren frei. Die Beteiligung war groß. Und Trump hat
> haushoch gewonnen. Aber belegt das wirklich, dass die Mehrheit der
> AmerikanerInnen einen klaren Rechtsruck befürwortet? Ist es ihnen einfach
> egal, dass ein verurteilter Vergewaltiger an der Spitze steht? So einfach
> ist die Sache nicht, und hier kommt auch die Rolle wirklich unabhängiger
> Medien ins Spiel
Bild: Foto: DW/nh
Aus Washington Ines Pohl
Es ist kein Wunder, dass Donald Trump während eines seiner letzten
Wahlkampfauftritte der begeisterten Menge zurief, dass er nichts gegen
erschossene Journalisten hätte. Für Trump sind Fakten wie Kryptonit für
Superman – die größte Bedrohung. Eine unabhängige Berichterstattung ist
unerlässlich, um die Lügen zu entlarven, die Trumps Anhänger glauben
lassen, er sei die Stimme des Volks. Doch die Art und Weise, wie
Nachrichten heutzutage verbreitet werden, hat sich gewaltig verändert. Und
wie so oft ist der Einfluss technologischer Entwicklung in den USA auch in
diesem Bereich schon ein bisschen weiter vorangeschritten als in
Deutschland.
Soziale Medien und besonders das Trump-Sprachrohr „Truth Social“ haben die
Nachrichtenszene revolutioniert. Hier dominieren nicht mehr die
professionellen Journalisten, sondern politische Akteure, die ihre eigenen
Agenden verfolgen. Diese Plattformen erlauben es, Hetze und Lügen ohne
jegliche Überprüfung zu verbreiten und dabei Millionen Menschen zu
erreichen. Algorithmen schüren Ängste und pushen Inhalte, die oft mehr
Klicks als Wahrheiten erzeugen – ein gefährlicher Kreislauf, der es
faktenbasierten Nachrichten immer schwerer macht, durchzudringen und die
Menschen zu erreichen.
Kein Wunder, dass der Einfluss toxischer Maskulinitätskonzepte hier
besonders erfolgreich ist. Trump hat eine bemerkenswerte Verbindung zu
männlichen Wählern aufgebaut, indem er rückwärtsgewandte
Männlichkeitsideale anspricht. Seine oft aggressive Rhetorik kommt bei
vielen, gerade jungen Männern gut an und verstärkt das Bild vom „Mann des
Volkes“, der gegen das Establishment kämpft. Die Medien tragen dazu bei,
indem sie Sensationsgeschichten und Polarisierung bevorzugen, anstatt eine
ausgewogene Berichterstattung zu liefern.
Aber wahr ist auch, dass die Partei der Demokarten hier genau analysieren
muss, warum sie so eindeutig verloren hat. Die Partei, die traditionell für
die Arbeiterschicht kämpfte, hat diese Basis in diesem Wahlzyklus eindeutig
verloren. Ich habe das Land in den vergangenen Jahren intensiv bereist.
Viele AmerikanerInnen in den verschiedensten Winkeln dieses großen Landes
fühlen sich nicht mehr angesprochen. Wenn die Wahlkampfreden eher klingen
wie Beiträge in einem Harvard-Debattierklub, fühlen sich viele Menschen
abgehängt und nicht ernst genommen. Ein Problem, das auch schon Präsident
Barack Obama hatte. Aber als erster schwarzer Präsidentschaftskandidat und
späterer Präsident wurde ihm einiges verziehen. Und viele nicht weiße
Amerikaner haben ihn und seine Partei auch deshalb gewählt.
Das hat sich dramatisch verändert: Trump hat trotz seiner rassistischen
Ansichten auch unter bestimmten ethnischen Gruppen, insbesondere Schwarzen
und Latinos, an Zustimmung gewonnen. Viele Wähler sind auf der Suche nach
wirtschaftlicher Stabilität und sehen in Trump einen möglichen Garanten
dafür. Seine menschenverachtenden Rassismen werden ihm dafür verziehen. Die
Fokussierung auf Kriminalitätsbekämpfung, Sicherheit und Einwanderung
kommen bei Latino- und Schwarzen Wählern an, auch wenn er keine
erfolgversprechenden Pläne dafür vorgelegen konnte. Hier kommt wieder zum
Tragen, dass immer weniger Menschen Medien konsumieren, die diese Themen im
Kontext der tatsächlichen politischen Entscheidungen analysieren und ein
umfassendes Bild vermitteln.
In den kommenden Wochen und Monaten werden die Demokraten analysieren, wie
es zu diesem eindeutigen Ergebnis kommen konnte. Wo sie versagt haben, ihre
politische Botschaft zu transportieren, und wo sie versagt haben, Lösungen
für die Probleme anzubieten, die meisten AmerikanerInnen bewegen.
Die US-Präsidentschaftswahl unterstreicht, wie tief die amerikanische
Gesellschaft gespalten ist. Unabhängige Medien sind gefordert, die Brücke
zwischen den verschiedenen Perspektiven zu schlagen. Der Einfluss von
milliardenschweren Medienmogulen, die oft eigene politische Ziele
verfolgen, ist eine weitere große Gefahr. Elon Musk, der reichste Mensch
der Welt, wird voraussichtlich einen massiven Einfluss in der
Trump-Regierung und damit auf die unmittelbare Politik haben. Und das,
obwohl er keinerlei demokratisch legitimierte Macht hat.
Letztlich sind unabhängige Medien nicht nur ein Schild gegen die
Verbreitung von Lügen und Hass, sondern auch eine grundlegend wichtige
Voraussetzung für eine informierte Wählerschaft. In Zeiten, in denen
Falschinformationen den öffentlichen Diskurs zunehmend dominieren, ist es
wichtiger denn je, die Stimme der Unabhängigkeit zu stärken, um der
Demokratie und dem gesellschaftlichen Zusammenhalt zu dienen.
In diesem Sinne, liebe Genossinnen und Genossen, gilt mehr denn je: taz
muss sein!
Viele herzliche Grüße aus den USA
Ines Pohl (ehemalige taz-Chefredakteurin)
9 Nov 2024
## AUTOREN
Ines Pohl
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.