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# taz.de -- dvdesk: Wenn es still wird auf der Tonspur
Bild: „The Silent Hour“ (USA 2024, Regie: Brad Anderson)Die DVD ist ab rund…
An einem Morgen wie jedem anderen tritt Frank Shaw, Kriminalbeamter, nach
dem Joggen und frisch geduscht auf seinen Balkon. Das Wetter ist gut. Vom
Plattenspieler läuft Jazz. Shaw blickt hinab auf die vor ihm liegende
Stadt, die eine US-Großstadt darstellen soll. (In Wahrheit: Toronto.) Es
ist für den Rest des Films das letzte Mal, dass Shaw etwas wie Freiheit und
Ausblick genießt. Ein Anruf, ein Einsatz, eine rasante Jagd zu Fuß durch
schmale Gänge zwischen Containern. Er knallt gegen einen fahrenden Wagen,
mit gravierenden Folgen: Sein Gehör ist ziemlich perdu.
Die Arbeit am Genre ist die Nicht-Neuerfindung des Rades als Kunst. Oder im
Regelfall eher: als Handwerk. „The Silent Hour“ ist ein Thriller und als
solcher eher konservativ darin, dass alle Basics aus der langen Geschichte
dieses Genres bestens vertraut sind. Worauf es schnell zuläuft: Shaw findet
sich mit einer attraktiven gehörlosen Frau in einem mehrstöckigen,
weitestgehend verlassenen Haus. Hinter ihm her sind Bösewichter in großer
Menge. Was die Lage deutlich verschlimmert: Nicht nur wirklich üble
Gangster darunter, sondern auch im eigenen Team, der Polizei, ist mehr als
ein Maulwurf.
Die meiste Zeit ist „The Silent Hour“ also eine Katz-und-Maus-Jagd im
Hochhaus, kürzer gesagt: eine Variation des einschlägigen Klassikers „Stirb
langsam“. Wie einst [1][John McTiernan] nützt auch Regisseur Brad Anderson
die räumlichen Gegebenheiten des hier allerdings eher bunkerartigen Baus
durchaus geschickt. Die Feuertreppe, der Aufzug, lange, teils in
Plastikplanen gehüllte Gänge, Türen und Fenster aller Art spielen tragende
oder versagende Rollen.
Das alles sieht ziemlich toll aus. Kameramann Daniel Aranyó hat das Licht
sehr präzise gesetzt, mit wunderbar scharfen Kanten konturiert er Hell
gegen Dunkel. Der Schwede Joel Kinnaman – der seine prominenteste Rolle als
Detective in der Serie „The Killing“ hier variiert – hat auf seinen
knarzenden Bass, und nicht nur auf ihn, einiges an Zerquältheit drapiert.
Und die gehörlose und auch etwas undurchsichtige „damsel in dress“, die aus
Lebensgefahr befreit werden muss, spielt Sandra Mae Frank als keineswegs
passive Figur namens Ava. Im Einsatz der Gebärdensprache ist sie dem Cop,
der darin Anfänger ist, sehr überlegen.
Keine Frage, dass „The Silent Hour“ das ist, was man früher ein B-Movie
nannte. Es stand nicht sehr viel Geld zur Verfügung. Es fehlen die ganz
großen Stars. Das macht die Sache aber im vorgegebenen Rahmen erstaunlich
beweglich. Das Genre wird entlang der Konventionen bedient, die Plot Twists
sind nicht sonderlich überraschend, aber doch effektiv. Variiert wird das
Muster in einem Detail: Der Cop wäre vollends generisch, wäre er nicht
dabei, sein Gehör zu verlieren. Daraus saugt das Buch mit Lust am Detail
immer wieder einigen Honig.
Die Karriere von Regisseur Brad Anderson hat mal Großes versprochen. Mit
„The Machinist“ von 2004 mit einem schlaflos in den Irrsinn abdriftenden,
ausgemergelten Christian Bale hatte er einen viel beachteten Hit, danach
ging es aber zurück in die zweite Reihe für ihn. „The Silent Hour“ zeigt,
dass er nach wie vor sein Handwerk versteht. Nicht nur ist das
Katz-und-Maus-Spiel rasant und spannend gefilmt, mit kurzen
Gebärden-Dialog-Verschnaufpausen an den richtigen Stellen. Einfallsreich
ist der Sound, der an manchen Stellen die Subjektive von Ava und Shaw
übernimmt und die Wahrnehmung aufs noch dazu eingeschränkte Sichtfeld
beschränkt: Dann wird es bedrohlich still auf der Tonspur. Ekkehard Knörer
7 Nov 2024
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## AUTOREN
Ekkehard Knörer
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