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# taz.de -- Durchmarsch gegen die Besten
> Jannik Sinner verliert beim Turnier der besten acht Tennisspieler in
> Turin nicht einen Satz und beeindruckt auch im Finale gegen Taylor Fritz.
> In Italien ist kein Sportler so populär wie er – trotz des Dopingvorfalls
> in diesem Jahr
Bild: Immer vorne dran: Sinner bei einem Ballwechsel im Finale
Aus Turin Jörg Allmeroth
Wenn Jannik Sinner mit den Superlativen seiner Centre Court-Arbeit
konfrontiert wird, wirkt der weltbeste Tennisspieler stets eher verlegen
und zurückhaltend. Große Worte sind seine Sache nicht, große Taten schon
eher. „Das bedeutet mir sehr viel. Es ist mein erster Erfolg daheim in
Italien“, sagte Sinner, als er am Sonntagabend das WM-Finale in Turin 6:4
und 6:4 gegen den Amerikaner Taylor Fritz gewonnen hatte. Im Konfettiregen
hielt er den Siegerpokal mit einem zaghaften Lächeln empor – der Mann, der
das erste und letzte mächtige Wort in einer Umbruchsaison im Proficircuit
gehabt hatte.
Sinners historischer Triumph hatte hohe Symbolkraft beim Turnier der acht
Besten der Spielzeit 2024. Keiner aus der Riege der ehrenwerten Gentlemen,
der Big Three, war noch am Start, kein Federer, kein Nadal, kein Djokovic.
Und der 23-jährige Naturbursche Sinner untermauerte in jenem Moment
geradezu atemraubend seinen Machtanspruch für die Zukunft, als erster
Spieler seit Ivan Lendl (1986), der die Weltmeisterschaft ohne Satzverlust
für sich entschied. 6:3, 6:4, 6:4, 6:4, 6:3, 6:4, 6:1, 6:2, 6:4, 6:4 – so
lauteten die nackten Zahlen und Daten zu Sinners Durchmarsch, seinen fünf
makellosen Siegen. Den Zverev-Angstgegner Fritz bezwang Sinner zweimal
klinisch sauber, sowohl in der Gruppenphase wie im Endspiel.
Niemand in der Geschichte des Saisonfinales war so überwältigend stark wie
Sinner, ließ so wenig gegnerische Spiele zu. „Ein Dominator, der uns Freude
macht“, schrieb die Gazzetto dello Sport und rief dem eigenen Helden zu:
„Du bist eine Legende.“ Frankreichs Sportfachblatt L’Equipe brachte das
Turiner Geschehen so auf den Punkt: „Die Lektion des Meisters Sinner.“ Und
Spaniens Boulevardblatt Marca befand, Sinner habe das WM-Turnier mit
„eiserner Hand regiert“ und die Konkurrenz teils deklassiert.
Nicht nur sportlich war Sinners Auftritt eine Sternstunde und Offenbarung.
Der Himmelsstürmer, der auch „Tennisbaron“ oder „Karotte“ genannt wird…
in den letzten Monaten eine ungeahnte Euphoriewelle in Italien ausgelöst –
die rauschhafte WM-Stimmung in Turin erinnerte an die 90er Jahre in
Deutschland mit den WM-Gewinnern Becker und Stich. Mit Sinners
Popularitätswerten kann es derzeit kein anderer Sportler zwischen den Alpen
und Sizilien aufnehmen, auch die schwelende Dopingangelegenheit konnte
bisher keinen nachhaltigen Schaden anrichten. Sinner beteuerte auch während
der WM-Tage seine Unschuld, im Sommer war ja bekannt geworden, dass es Ende
März zwei positive Tests mit dem Steroid Clostebol gegeben hatte. Das
Mittel sei unbeabsichtigt durch einen Masseur auf die Haut aufgetragen
worden, dieser Erklärung Sinners schloss sich eine Schlichtungsinstanz an.
Gegenwärtig läuft ein Einspruchsverfahren der Welt-Dopingagentur gegen
dieses Urteil.
Nicht immer sei es leicht gewesen in den vergangenen Wochen und Monaten,
sagte Sinner, „es gab schon Momente mit großem Druck, die man überstehen
musste“. Seinem Spiel, seinem ganzen Centre-Court-Auftritt war allerdings
nie wirklich etwas anzumerken, schließlich gewann er nach Bekanntwerden der
Doping-Causa auch ungefährdet die US Open, das Masters in Schanghai und nun
die ATP-WM.
Seine Saisonbilanz erinnert an die Überlegenheit, die einst Federer, Nadal
und Djokovic auf den Tennisbühnen zelebrierten. Mit 70:6-Siegen geht der
23-Jährige aus der Spielzeit 2024 als Solist heraus, in der Weltrangliste
hat er fast 4.000 Punkte Vorsprung auf die Nummer 2, Alexander Zverev. Nur
Federer und Djokovic schafften vor Sinner den Titel-Hattrick aus Australian
Open, US Open und WM. Einziger Makel für Sinner: Die drei Niederlagen in
den drei Saisonvergleichen mit Carlos Alcaraz, dem neuen spanischen
Matador.
Vor einem Jahr hatte Sinner das italienische Davis-Cup-Team zum ersten Sieg
seit 1976 geführt, es war auch ein Anschuberfolg für die eigene Karriere.
Nun will der neue Weltmeister mit seinen Mannschaftskollegen den Titel im
spanischen Malaga verteidigen, der Urlaub muss warten. Sinner sagt: „Die
Saison ist noch nicht vorbei.“
19 Nov 2024
## AUTOREN
Jörg Allmeroth
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