# taz.de -- kritisch gesehen: „wasserwelt“ am theater bremen: Kleiner Krebs… | |
Ein rundes Plateau dreht sich in der Mitte der Bühne. Darauf: ein | |
kompletter kleiner Unterwasserkosmos, gespeist von der Wärme der schwarzen | |
Raucherin (Annemaaike Bakker). In 4.000 Metern Tiefe trifft hier das | |
300-Grad-Wasser aus dieser heißen Quelle auf eine Umgebungstemperatur nahe | |
dem Gefrierpunkt. In dieser unwirtlichen Zwischenschicht entstehen kleine | |
Biotope: Wie in einer Sitcom sitzen auf einem Seestern – anstatt eines | |
Sofas – auf der Bühne nun ein kleiner Krebs (Jorid Lukaczik), zwei | |
Bakterien (Matthieu Svetchine und Siegfried W. Maschek), eine Muschel | |
(Judith Goldberg) und ein Röhrenwurm (Nadine Geyersbach). Dazwischen sind | |
wie auf einem Jahrmarktskarussell noch andere Wassertiere angebracht, unter | |
anderem drehen sich ein Delphin und eine Qualle mit. | |
Gemeinsam mit dem kleinen Krebs Nat verlässt die Scheibe die Tiefsee, um | |
die darüber liegenden Meeresschichten zu erkunden – Nat nämlich möchte mehr | |
von der Welt sehen. In einem ersten Lied feiern die kleinen Lebewesen ihre | |
ewige Beschränktheit und das Aufeinander-angewiesen-Sein. Eher nebenbei | |
lernen wir, dass die unberührte Natur eben nicht einfach nur gut, sondern | |
auch gnadenlos ist – und langweilig. | |
Da unten, im Unterwassermatriarchat, so erfahren wir weiter, herrscht ewige | |
Nacht. Durchbrochen wird sie schließlich vom Licht eines | |
Unterwasserroboters, dem der Krebs zu folgen beschließt: Für Nat ist das | |
ein religiöses, wissenschaftliches oder auch adoleszentes | |
Erweckungserlebnis, und er beschließt, sich auf die Suche nach dem | |
Tauchroboter zu machen. Alle Warnungen und Bitten derer, mit denen ihn bis | |
zu diesem Punkt eine Art gemeinsames Schicksal verband, schlägt er in die | |
Wellen. | |
Für Nat beginnt eine Reise ins Ungewisse – und für die Zuschauenden eine | |
Phase der Langeweile. Egal, wie viele Tausende von Metern der kleine Krebs | |
hinaufsteigt: Äußerlich verändert sich nur wenig. Eine Kolonie von Quallen | |
kommt und verschwindet wieder, in einem Fangnetz begegnet er einem Blauwal; | |
das Seekarussell dreht sich weiter, mal langsamer, mal schneller, so eben | |
ist der Lauf der Dinge, dem der kleine Krebs eigentlich gern entkommen | |
möchte. Einem Musical gemäß, wird die Handlung durch dialogisch oder im | |
Chor gesungene Lieder unterstützt, aber auch die bleiben seltsam gleich: | |
seichter Songbrei. Dieses Wasserstück möchte eine Parodie auf Musicals sein | |
und es ist schon ein bisschen komisch, dass die Lippen sich nicht immer | |
ganz synchron zum Gesungenen bewegen. | |
Die Rollen der Schauspieler*innen wechseln im Laufe des Stückes, | |
unbemerkt – bis ihr Text darauf aufmerksam macht. Das ist bisweilen recht | |
schön, wenn so ein Bakterium, zwischenzeitlich Blauwal und an der | |
Wasseroberfläche dann zum kleinen Jungen wird: Gegen den Widerstand seiner | |
Mutter (vorher ein Röhrenwurm) freundet er sich mit dem kleinen Krebs an. | |
Dem aber kommt wiederum die Biologie in die Quere: Ein siebenjähriger | |
Mensch und ein siebenjähriger Krebs sind nur scheinbar gleich alt. Der | |
Junge hat das Leben noch vor sich, der Krebs seines schon hinter sich, wird | |
zum Leidwesen seines neuen Freunds bald zum Sterben in die Tiefsee | |
zurückkehren. | |
Der Abend (Regie: Felix Rothenhäusler) bietet ein paar wirklich schöne | |
Momente, insgesamt überwiegt aber der Eindruck, man habe hier aufgrund | |
einer laufenden Kooperation mit „Marum“, dem Zentrum für marine | |
Umweltwissenschaften der Bremer Universität, etwas zum Thema produzieren | |
müssen: Zu nachträglich wirkt die Vermittlung meeresbiologischen Wissens – | |
und allzu einfach alle Musical-Genre-Parodie. Radek Krolczyk | |
19 Sep 2024 | |
## AUTOREN | |
Radek Krolczyk | |
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