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# taz.de -- Alle Rapper werden Brüder
> Mehr als ein Zusammenschluss afrodeutscher Rap-Größen, sind die Brothers
> Keepers heute eine der wichtigsten Antirassismus-Initiativen der
> Republik. Zum Tournee-Auftakt in Berlin präsentierte sich der
> Männergesangsverein als ein erstaunlich harmonisches Ensemble – und als
> ein Projekt mit Zukunft
VON DANIEL BAX
Erst vor drei Wochen waren die Brothers Keepers in Berlin: Auf einer Bühne
vor dem Brandenburger Tor und bei der Demonstration im Stadtzentrum halfen
sie tatkräftig mit, den Neonazi-Aufmarsch zum 1. Mai zu verhindern: ein
voller Erfolg bekanntlich. Enttäuschend fiel dagegen die Resonanz auf ihren
Tournee-Auftakt in Berlin aus: Obwohl das Konzert von der größeren
Columbiahalle in den kleineren Columbia Club verlegt wurde, traten sich die
rund 700 Besucher nicht auf die Füße. Als die etwa 20-köpfige Schar der
großen afrodeutschen Rap-Koalition auf die Bühne drängte, um ihre aktuelle
Single „Bereit“ anzustimmen, wirkte es dort enger als im Saal. Hat sich der
Aufstand der Anständigen also inzwischen erledigt? Haben die Brothers
Keepers vielleicht wie Rot-Grün ihre historische Mission erfüllt, sich
selbst überflüssig gemacht?
Vielleicht lag das maue Echo aber auch nur daran, dass man nicht immer so
genau weiß, wer gerade unter der Flagge des breiten Bündnisses antritt. In
Berlin waren sie fast alle da: Xavier Naidoo, das prominenteste
Aushängeschild der Gruppe, Adé von der Gruppe Bantu als der eigentliche
Motor sowie die Stammrapper D-Flame, Torch und Germ. Vor vier Jahren
formierte sich die große Koalition der afrodeutschen Rapper, um angesichts
des brutalen Mords an dem Familienvater Alberto Adriano in Dessau eine
„Letzte Warnung“ auszusprechen. Heute, nach hunderten von Konzerten,
Podiumsgesprächen und Auftritten in Schulen, Asylbewerberheimen oder
Gefängnissen, zählen sie zu den wichtigsten Antirassismus-Initiativen der
Republik.
Nun ist nicht immer künstlerisch überzeugend, was politisch wünschenswert
ist. Auf den bisherigen Brothers-Keepers-Alben „Lightkultur“ und „Am I my
brothers keeper?“ wechseln sich denn auch Licht und Schatten ab: Die
Vielfalt der Beiträge offenbart nicht nur die stilistischen, sondern auch
die qualitativen Differenzen zwischen den einzelnen Mitbrüdern. Als
Live-Band sind die Brothers Keepers inzwischen hörbar zusammengewachsen.
Das zeigte sich nicht erst, als sie am Ende des Konzerts vereint zum
Gruppengospel „Letzte Warnung“ auf ihre Brüderschaft sangen.
Gemeinsam sind sie in allen Stilen zu Hause, auf der Bühne hatte jedoch
jeder seinen Part: Der italienische Rap-Veteran Toni L. bot mit seinem
alten Kumpel Torch ein Old-School-Duett, Adé sorgte mit seinem Bruder Don
Abi für eine Afrobeat-Einlage, und der bullige D-Flame präsentierte sich
als eine Art Rübezahl der Raggamuffin: Wenn er mit seiner Stimme, die einen
ganzen Saal zu füllen vermag, von seelenvollem Gesang sekundenschnell in
aggressive Reime wechselt, ähnelt er dem rüpelhaften Kobold aus dem
Riesengebirge. Xavier Naidoo dagegen gab zum Finale wieder einmal den
charismatischen Erweckungsprediger: „Lasst uns dieses Lied rausbringen, das
ganze Volk soll es singen“, sang er, und Torch tanzte dazu verzückt im
Hintergrund.
Ein paar neue Bündnispartner sind mit der Zeit dazu gekommen: Der Berliner
Schauspieler Rolf Zacher, der im Video zu „Bereit“ eine Nebenrolle spielt,
gesellte sich zum Konzertauftakt mit auf die Bühne, wirkte zwischen all den
wild gestikulierenden Halbstarken aber etwas verloren und trollte sich
bald. Neu dabei ist auch der Prollrocker Joachim Deutschland, der das
gesamte Konzert über an der Gitarre stand. Von Neumitgliedern wie Nosliw
mit seinem deutschsprachigen Reggae oder der Soulsängerin Della Miles
stammten einige der stärksten Beiträge des Abends.
Della Miles ist dem Männergesangsverein als einzige weibliche Stimme
verblieben, seit sich die Schwesterorganisation der Sisters Keepers
praktisch aufgelöst hat. Dennoch wird mit den Brothers Keepers auch in
Zukunft noch zu rechnen sein: Im Herbst soll ein Film über den Rap-Verbund
in die Kinos kommen, die Tournee durch Konzerthallen und Schulen wird
fortgesetzt. Zumindest so lange, wie eine künftige Regierung nicht wieder
die Mittel für solche Antirassismus-Arbeit vor allem in ostdeutschen
Klassenzimmern kürzt.
Nach dem Konzert, im Backstage-Bereich, holt Adé erst einmal Luft, als die
Rede auf die angekündigten Neuwahlen kommt. „Schröder ist ein Player“, sa…
er halb anerkennend – dass der Kanzler das Ruder noch herumreißen kann,
glaubt der nigerianische Wahlkölner indes nicht: „Meckern gehört eben zur
deutschen Kultur.“ In der Zwischenzeit hat er nur ein Ziel: „Wir müssen
eine starke alternative Kultur gegen rechts aufbauen.“
Tournee: 26. 5. Braunschweig, 27. 5. Köln, 28. 5. Erlangen, 29. 5. München,
31. 5. Stuttgart, 1. 6. Freiburg/Lahr, 2. 6. Wiesbaden
26 May 2005
## AUTOREN
DANIEL BAX
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