# taz.de -- tazđŸthema: Die faire Maus | |
> Susanne Jordan hat bewiesen, dass anstÀndige Arbeitsbedingungen in der | |
> Elektronikindustrie möglich sind | |
Bild: Versandfertig: Die Schokolade geht aus Ghana in die Welt | |
Von Annette Jensen | |
Viele Millionen Euro haben Elektronikkonzerne in den vergangenen Jahren fĂŒr | |
Lobbyarbeit ausgegeben, um keine Verantwortung fĂŒr die Arbeitsbedingungen | |
ihrer Lieferanten ĂŒbernehmen zu mĂŒssen. Zu viel BĂŒrokratie und unmöglich | |
umzusetzen, kritisieren sie jede gesetzliche Verpflichtung. Dabei zeigt | |
eine Frau aus dem bayerischen Dörfchen Bichl, was mit gutem Willen alles | |
geht: Seit zwölf Jahren produziert und vertreibt der von ihr gegrĂŒndete | |
Verein âNager ITâ eine faire Computermaus. | |
## Ăber 200 Firmen beteiligt | |
Als Susanne Jordan anfing, hatte sie wenig Ahnung von Technik. Damals | |
arbeitete die studierte Geografin bei einer Institution, die ĂŒber | |
katastrophale ZustĂ€nde in Fabriken und Bergwerken des Globalen SĂŒdens | |
recherchierte. Die damit konfrontierten Abnehmerfirmen reagierten immer | |
gleich: Man bemĂŒhe sich selbst um Verbesserungen, habe aber leider kaum | |
Einflussmöglichkeiten. Jordan beschloss, das ganz praktisch zu widerlegen. | |
Sie kĂŒndigte, frischte ihre Physikkenntnisse mit einem Elektronikbaukasten | |
auf und zerlegte existierende ComputermÀuse, um deren rund 20 Komponenten | |
kennen zu lernen. | |
Am Produktionsprozess einer Maus sind ĂŒber 200 Unternehmen beteiligt â vom | |
Kupferbergbau bis zur Endmontage. Alles, was von der Lieferkette bekannt | |
ist, veröffentlicht Nager IT im Internet. Akribisch dokumentiert Jordan, wo | |
welche Teile produziert wurden, unter welchen Arbeitsbedingungen und an | |
welchen Stellen es noch WissenslĂŒcken gibt. Wenn möglich, kauft sie die | |
Einzelteile in Deutschland oder in LĂ€ndern wie Japan, wo Gewerkschaften | |
zugelassen und gute Arbeitsbedingungen sichergestellt sind. | |
Schalter, Kabel und Drehgeber kommen jedoch aus China. Auf zwei Reisen | |
dorthin hat sie zusammen mit einem lokalen Aktivisten mehrere Fabriken | |
besucht und ausfĂŒhrlich mit BeschĂ€ftigten gesprochen, ohne dass eine | |
Aufsichtsperson dabei war. âDie Arbeiterinnen hĂ€tten natĂŒrlich nie etwas | |
gegen ihren Betrieb gesagt. Aber ich konnte die LĂ€nge der Arbeitszeiten | |
erfahren und zum Beispiel sehen, dass es eine Kinderbetreuung gibtâ, | |
berichtet Jordan. | |
Auch habe sie dort Àltere Leute angetroffen, die schon lange in der Fabrik | |
arbeiteten; ungewöhnlich und deshalb wohl ein Zeichen, dass die | |
Arbeitsbedingungen besser sind als in anderen Unternehmen. Trotzdem | |
markiert Jordan die chinesischen Bauteile noch als âunfairâ und stellt | |
klar, dass ihre MĂ€use bisher nur â2/3fairâ sind, wegen der chinesischen | |
Zulieferer und anderer Komponenten wie Linsen und Sensoren aus SĂŒdostasien, | |
deren Herstellungsbedingungen sie nicht beurteilen kann. Auch die Herkunft | |
der Vorvorbauteile und Rohstoffe sind fĂŒr einen so kleinen Hersteller kaum | |
herauszufinden. | |
## Drei Leute im Team | |
Drei Leute gehören aktuell zum festen Team von âNager-ITâ. Inzwischen haben | |
sie etwa 100.000 faire ComputermÀuse verkauft. Jordans Wissen ist gefragt. | |
Als der âBlaue Engelâ fĂŒr Computer, Tastaturen und MĂ€use erneuert wurde, | |
war sie an den FachgesprĂ€chen beteiligt. âViele sagen, wie toll sie es | |
finden, was ich mache. Aber selbst wirklich aktiv werden immer weniger | |
Menschenâ, bilanziert die Mittvierzigerin. Der Verkauf werde schwieriger, | |
und nachdem ein öffentlicher GroĂauftrag kurzfristig abgesagt wurde, | |
verursachen groĂe Mengen bereits hergestellter MĂ€use hohe Lagerkosten. | |
Viel Arbeit, wenig Geld, das Los aller Pioniere. Jordan stört das | |
eigentlich nicht. Doch in letzter Zeit wird es zu schwierig: Abnehmendes | |
Interesse an Nachhaltigkeit gepaart mit steigenden Kosten. Der Verein muss | |
umdenken. Immerhin ist es gelungen, andere zu inspirieren. Der von Jordan | |
mitinitiierte Verein FairLötet engagiert sich seit zehn Jahren fĂŒr faires | |
Lötzinn aus Recyclingmaterial und konnte fĂŒr die Produktion die Wuppertaler | |
Firma Stannol gewinnen. | |
## Jetzt mit Verein | |
Inzwischen geht es auch um Kupfer. âWir wollen beide Enden der Lieferkette | |
verbinden und Unternehmen ĂŒberzeugen, ihre Kabel aus fairem Material | |
herzustellenâ, sagt Astrid Lorenzen. DafĂŒr arbeitet FairLötet bei der | |
Initiative fĂŒr verantwortungsvollen Bergbau (IRMA) mit, an der auch | |
Minenbetreiber und betroffene Gemeinschaften, Finanzinstitute und | |
Gewerkschaften beteiligt sind. IRMA will in diesem Herbst einen | |
sozialökologischen Standard veröffentlichen, unter dem sich | |
Bergbauunternehmen zertifizieren lassen können. Ein Minenbetreiber aus | |
SĂŒdafrika wird wohl den Anfang machen, auch ein paar Abnehmer in | |
Deutschland hat Lorenzen schon gefunden. | |
Derweil bietet der ebenfalls von Jordan mit auf den Weg gebrachte Verein | |
âFair IT yourselfâ Workshops an fĂŒr Kinder, Jugendliche und Lehrende. Sein | |
Ziel ist es, nicht nur die Arbeitsbedingungen in der Lieferkette zu | |
thematisieren, sondern auch den immensen Ressourcenverbrauch, der mit | |
Smartphone, Laptop & Co verbunden ist. âWenn wir in eine Klasse gehen, | |
erkennen die SchĂŒler:innen die Probleme durchausâ, erzĂ€hlt Jan Carl | |
Matysiak. Genau wie Susanne Jordan will auch er Lösungen anbieten. | |
14 Sep 2024 | |
## AUTOREN | |
Annette Jensen | |
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