# taz.de -- Befreier und Besatzer | |
> Organisatorisch war der Abzug der russischen Streitkräfte vor 30 Jahren | |
> aus Ostdeutschland eine Meisterleistung. Über ihre Rolle im Land zeigten | |
> sich die Deutschen gespalten | |
Als letzter Soldat besteigt am 1. September 1994 Matwej Burlakow, | |
Oberbefehlshaber der russischen Streitkräfte in Deutschland, die | |
Militärmaschine. Tags zuvor haben Helmut Kohl und Boris Jelzin in Berlin | |
feierlich die russischen Truppen verabschiedet. In Erinnerung wird von dem | |
Festakt ein angetrunkener Jelzin bleiben, der das Berliner Polizeiorchester | |
dirigiert. Mit Burlakows Abgang am nächsten Tag endet die mehr als 49 Jahre | |
dauernde russische Besatzung in Deutschland. | |
Der Abzug gilt als die größte Truppenverlegung in Friedenszeiten. Drei | |
Jahre zuvor befinden sich auf ostdeutschem Gebiet noch 338.000 Soldaten und | |
Offiziere sowie 180.000 Familienangehörige, dazu Tausende Panzer, | |
Schützenpanzer und Geschütze, Hunderte Flugzeuge, Hubschrauber und Raketen. | |
Wie sich später herausstellt, waren viele der Liegenschaften mit Altlasten | |
verseucht. | |
[1][Generaloberst Matwej Burlakow] wird wegen des erfolgreichen Abzugs zum | |
stellvertretenden Verteidigungsminister der Russischen Föderation ernannt. | |
Doch die Verlegung ist nicht nur logistisch ein Meisterwerk, sie öffnet | |
auch Korruption hemmungslos Tür und Tor. Nach Verwicklungen in den Mord an | |
einen Journalisten, der dazu recherchierte, wird Burlakow von Boris Jelzin | |
bereits im November 1994 wieder abgesetzt. | |
Die Frage, wie die Besatzung zu bewerten ist, teilt im Jahr 1994 die | |
Bundesrepublik. Eine Umfrage der ARD ergibt, dass 77 Prozent der | |
Westdeutschen in den russischen Soldaten Besatzer oder Unterdrücker sehen, | |
bei den Ostdeutschen sind das nur 36 Prozent. 54 Prozent sehen in ihnen | |
hingegen Befreier und Partner. | |
Wünsdorf wurde 1951 Sitz des Oberkommandos, zeitweilig lebten dort bis zu | |
75.000 sowjetische Militärs und Zivilisten. Das gesamte Areal wird seit | |
1994 in eine zivile Nutzung überführt. Im Bestand der | |
Entwicklungsgesellschaft Waldstadt Wünsdorf/Zehrensdorf (EWZ) befinden sich | |
unter anderem noch das Haus der Offiziere und die Villa Burlakow, Residenz | |
des letzten Oberbefehlshabers. | |
Allerdings gehören 57 Hektar Wald mit Gebäuden und denkmalgeschützten | |
Bunkern der [2][Bücherstadt-Tourismus GmbH], die auf dem Gelände, aber auch | |
im Haus der Offiziere thematische Führungen anbietet.Thomas Gerlach | |
10 Aug 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Matwei_Prokopjewitsch_Burlakow | |
[2] https://www.buecherstadt.com/ | |
## AUTOREN | |
Thomas Gerlach | |
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