# taz.de -- taz🐾thema: Entschlossen zur Wende | |
> Das Interesse an Energiegenossenschaften ist groß und steigt. Daran haben | |
> auch weltpolitische Umbrüche und die veränderte Gesetzgebung ihren Anteil | |
Von Volker Engels | |
In Energiegenossenschaften engagieren sich schon jetzt Hunderttausende und | |
treiben damit die fossilfreie Energiewende voran. Das Engagement ist | |
vielfältig: Sie nutzen Sonne und Wind ebenso wie Biomasse oder Wasserkraft, | |
um regional Öko-Strom oder Bio-Gas zu erzeugen. | |
Ein anhaltend steigendes Interesse von Menschen, die sich ganz konkret für | |
die Energiewende im Rahmen von Energiegenossenschaften engagieren wollen, | |
beobachtet Verena Ruppert vom Landesnetzwerk Bürgerenergiegenossenschaften | |
Rheinland-Pfalz (Laneg). Eine große Rolle für das große Interesse spiele | |
der Krieg in der Ukraine und der Wunsch vieler Menschen, sich selbst | |
versorgen zu können und die Abhängigkeit von fossilen Energieimporten zu | |
reduzieren. Die politischen Rahmenbedingungen hätten sich unter anderem | |
durch das „Solarpaket 1“ der Bundesregierung verbessert, dass Mitte Mai in | |
Kraft getreten ist. „Da ist wieder Leben drin“, so die Geschäftsführerin | |
des Laneg. Viele Menschen hätten jetzt das Gefühl, dass die Energiewende | |
anders als früher nicht verhindert, sondern „aktiv gefördert wird“. | |
Eine steigende Nachfrage nehmen auch die Bürgerwerke eG wahr, die 2013 mit | |
neun Genossenschaften als Gründungsmitgliedern startete und inzwischen auf | |
130 Energiegenossenschaften aus ganz Deutschland mit rund 70.000 | |
Mitgliedern angewachsen ist. „Das Interesse ist groß und steigt“, sagt | |
Sprecher Christopher Holzem. | |
Die Bürgerwerke versorgen mehr als 40.000 Haushalte mit rund 100.000 | |
Menschen in ganz Deutschland mit Ökostrom, der von ihren | |
Mitgliedsgenossenschaften aus Wind- oder Solaranlagen erzeugt wird. Strom | |
aus Wasserkraft wird aus bayerischen Wasserkraftanlagen hinzugekauft. Auch | |
Bio-Gas können Interessierte über den Anbieter beziehen. | |
## Mit Mieterstrom | |
Schon seit ihrer Gründung setzen die Bürgerwerke in ihrer Geschäftsstelle | |
in Heidelberg auf hauptamtliche Mitarbeitende, während die Arbeit der | |
meisten kleineren Energiegenossenschaften vom ehrenamtlichen Engagement | |
ihrer Mitglieder getragen wurde. „Da ändert sich gerade etwas, auch | |
kleinere regionale Genossenschaften schaffen zunehmend hauptamtliche | |
Stellen.“ | |
Hinter der Abkürzung BEN verbirgt sich die BürgerEnergie Nord eG, die | |
Mieter:innen in Neubauten und Bestandsimmobilien, kommunale | |
Einrichtungen oder Gewerbetreibende in Norddeutschland mit Solarstrom für | |
den Eigenverbrauch versorgt. Sie kümmert sich um die Planung, Finanzierung, | |
Installation und den Betrieb der Anlagen und liefert den Strom vom eigenen | |
Dach direkt an die Bewohner:innen oder Nutzer:innen der Häuser. | |
Diese profitieren von günstigerem Ökostrom, der etwa 10 bis 15 Prozent | |
billiger sei als bei anderen Energieversorgern. Sind die Bewohner:innen | |
oder Nutzer:innen zugleich Genossenschaftsmitglieder, werden sie an den | |
Erträgen der Genossenschaft beteiligt. | |
„Wir gehen davon aus, ab 2026 eine Dividendenzahlung anbieten zu können“, | |
sagt Vorständin Anna Leidreiter. Die BEN installiert Solaranlagen zur | |
Eigennutzung auch auf kommunalen Gebäuden, in denen zum Beispiel eine Kita | |
oder ein Bürgerzentrum untergebracht ist. Häuser von nicht kommunalen | |
Einrichtungen wie Kirchengemeinden oder Stiftungen kommen ebenfalls als | |
Standort für Solarmodule in Frage. Die Nachfrage sei „riesig“, was unter | |
anderem daran liege, dass die Solarpflicht für Neubauten steige. | |
Seit 2012 arbeitet die BürgerEnergie Berlin eG (BEB) auch politisch daran, | |
die urbane Energiewende in der Hauptstadt voranzubringen. Die BEB hat sich | |
aktiv eingemischt, weil der Markt von Monopolisten dominiert war, der Strom | |
teilweise mittels Braunkohle und Atomkraft produziert wurde. „Unser | |
Vertrauen, dass solche Unternehmen eine dezentrale Energiewende mit | |
Leidenschaft unterstützen, war sehr gering“, erinnert sich Vorstand | |
Christoph Rinke. „Uns war und ist es wichtig, Bürger:innen, ohne die die | |
Energiewende nicht zu schaffen ist, eine Stimme zu geben.“ | |
Neben dem politischen Engagement investiert die BEB mit ihren rund 2.000 | |
Mitgliedern auch in erneuerbare Energien, um günstigen Mieterstrom zu | |
produzieren. „Wir wollen die Vorteile von günstig produziertem Solarstrom | |
auch an die Menschen weiterzugeben, die zur Miete wohnen.“ Im vergangenen | |
November hat die BEB zusammen mit 21 Wohnungsgenossenschaften die neue | |
Energiegenossenschaft StadtWatt eG gegründet. Die Wohnungsgenossenschaften | |
haben zusammen rund 50.000 Wohneinheiten in Berlin und Potsdam, also viel | |
Dachfläche für PV-Anlagen, die Mieter mit preiswertem Ökostrom versorgen | |
können. „Wir wollen unter dem Dach der neuen Genossenschaft Synergien | |
schaffen, so dass alle Mitglieder profitieren.“ Denn der Weg zur | |
klimaneutralen Hauptstadt, so Rinke weiter, „kann nur mit einem massiven | |
Ausbau der Solarenergie funktionieren“. | |
6 Jul 2024 | |
## AUTOREN | |
Volker Engels | |
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