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# taz.de -- Bücher in Geschenkpapier
> Liebe beim ersten Lesen: Das diesjährige African Book Festival beginnt
> überraschend mit einem „Speed Dating“
Von Jolinde Hüchtker
Paradoxerweise werben alle Dating-Apps momentan ja damit, dass niemand mehr
Lust auf Dating hat. Hier aber läuft es ganz gut: Das African Book
Festivaleröffnet in diesem Jahr mit einer Art Verkupplungsprogramm, einem
Love At First Read. Luftballons und Konfetti in Herzform sind in der Halle
der Alten Münze in Berlin-Mitte verteilt, rosa Licht legt sich über die
Bierbänke: Das Ambiente ist eher Hochzeit als erstes Rendezvous. Daher
heißt eine der kleinen Bühnen auch direkt „Honeymoon“, also Flitterwochen.
Beim Hineingehen kann man sich, ganz im Sinne eines Blind Dates, einen
Zettel nehmen, auf dem dann etwa steht: „Your journey begins by reading
‚Love Offers No Safety‘ by Jude Dibia.“
Jude Dibia sitzt gerade auf der „Honeymoon“-Bühne, die eigentlich – ande…
als die Bühne „Heartbreak“ – für romantische Stimmung sorgen soll, doch
Moderator Kevin Mwachiro fragt ihn zunächst, warum Dibia sich einen solch
deprimierenden Titel für seinen Roman ausgesucht habe. In „Love Offers No
Safety“ versammelt der Autor Geschichten queerer Männer in Nigeria, oft
handeln sie von sozialer Isolation, von Einsamkeit. „Aber nicht alle sind
traurig“, verspricht Dibia. Sein Debüt „Walking With Shadows“ (2005) wird
als erster nigerianischer Roman gehandelt, der einen schwulen Mann zum
Protagonisten macht. Inzwischen lebt Dibia im Exil in Schweden, nicht nur
durch seine Romane, sondern auch durch seinen Aktivismus gegen
homofeindliche Gesetze kann er in seinem Heimatland nicht mehr sicher
arbeiten. Dennoch ist Dibia ein in Nigeria anerkannter Autor, ins Deutsche
wurden seine Bücher bislang nicht übersetzt, überhaupt einige der heute
besprochenen Romane dürften selten in deutschen Bücherregalen zu finden
sein.
Darum geht es dem African Book Festival auch, das vom Verein
InterKontinental veranstaltet wird: neben hierzulande etablierten
afrikanischen und afrodiasporischen Autor*innen insbesondere jene
einzuladen, die noch nicht am europäischen Horizont aufgetaucht sind.
Im Buchladen, der vor der Veranstaltungshalle aufgebaut ist, sind ganze
Tische mit großen Namen wie James Baldwin und Chimamanda Ngozi Adichie
gefüllt. Auffällig viele Bücher queerer Autor*innen liegen dort
ebenfalls aus. Das seit 2018 stattfindende Festival feiert in diesem Jahr
eine „Queer Edition“. Beim Speed-Dating-Abend spricht etwa die Autorin
Musih Xaviere über ihren Roman „These Letters End in Tears“, eine lesbische
Liebesgeschichte in Kamerun, während die deutsch-marokkanische
Schriftstellerin Nora Bendzko das Publikum in eine ganz andere Welt
entführt. Ihr Roman „Die Götter müssen sterben“ ist eine
Dark-Fantasy-Version der griechischen Mythologie, inklusive nichtbinärer
und polyamorer Amazonen. Co-Moderatorin Alexandra Antwi-Boasiako bringt nun
auch die richtige Flirtstimmung mit, kokett fragt sie Bendzko, welche der
Amazonenfiguren der Moderatorin selbst am ähnlichsten sei – auf jeden Fall
eine, die „super hot“ ist, erwidert Bendzko.
Die Laune im Publikum ist gut, ganz besonders wenn die Autor*innen ins
Plaudern kommen. So sagt Musih Xaviere trocken, sie habe über Jugendliebe
geschrieben, denn: „Ich weiß nicht, ob es euch auch so geht, aber Liebe im
Erwachsenenalter ist wahnsinnig anstrengend.“ Die afroamerikanische
Schriftstellerin Mecca Jamilah Sullivan hingegen lacht: „Wenn mein Roman
Hunger auslöst, habe ich alles richtig gemacht.“ Die Protagonistin darin
wird mit acht Jahren zu Weight Watchers geschickt, ihr Erwachsenwerden ist
auch ein „Weg der Heilung“, sagt Sullivan.
Es ist ein charmantes Format: knackige Einblicke in unterschiedlichste
Bücher, schnelle Wechsel, in den Pausen gibt es Grillfleisch im Hof. Und
wer noch ein Blind Date mit nach Hause nehmen will, kann ein in
Geschenkpapier verpacktes Buch erwerben: no risk, no fun.
1 Jul 2024
## AUTOREN
Jolinde Hüchtker
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