# taz.de -- kritisch gesehen: „the semantics of softer landings“ in der st�… | |
Erster Versuch, durch die Ausstellung zu kommen. Nur ein paar Schritte | |
rein, ein erster Blick in die Städtische Galerie Bremen, und dann gleich | |
wieder raus. Selten haben künstlerische Arbeiten eine so starke Wirkung, | |
dass man sie dosieren muss. Noch seltener schafft es ungegenständliche | |
Kunst, überhaupt eine Art von Aufregung zu erzeugen. Was ist passiert? | |
Frontal zum ersten Ausstellungssaal ist eine mittelgroße Fotografie an eine | |
Wand montiert. Aus dem Dunkel heraus entfalten sich auf ihrer Oberfläche | |
Lichtfelder. | |
Es gibt Stellen, an denen sich alles Licht zu konzentrieren scheint. | |
Möglicherweise befindet sich hier seine Quelle, genau wissen wir das nicht. | |
Jedenfalls bleibt es hier nicht beim hellen, immateriellen Schein auf einem | |
fotoempfindlichen Blatt Papier. An der Lichtfotografie lehnen drei | |
Metallstäbe, ihre Enden berühren die hellsten Punkte. In ihnen geht alles | |
Licht in Materie über. Diese Konstellation erinnert an die elektrische | |
Ladung eines Blitzes, die Sand zu einer Röhre verschmilzt. Ganz sanft, mit | |
nur wenigen Mitteln entfaltet sich vor unseren Augen eine riesige Kraft. | |
Die davon ausgehende Gewalt kann man wahrnehmen, indem man sich in ihr | |
Material einfühlt, ansonsten bleibt sie stumm. | |
Zweiter Versuch, durch die Ausstellung zu kommen. In den großzügigen, | |
weißen Galerie-Hallen toben leise noch einige fotografisch-metallische | |
Gewitter mehr. An manchen Lichtwellen flirren silberne Ketten vorbei. An | |
anderer Stelle zerschneiden Stäbe aus Messing ebenfalls messingfarbene | |
Lichtwellen. Auf einer mittelformatigen Fotografie breitet sich ein | |
gleißender Punkt zu seinen Rändern hin aus. Ein davor gespannter silberner | |
Ring wirkt, als versuche er, das Lichtzentrum zu markieren oder sogar | |
festzuhalten. All diese Vorgänge bleiben unvollendet. Weil keine Erlösung | |
des Materials eintritt, bleibt ihre unfassbare Spannung auf ewig bestehen. | |
Dritter Versuch. Eine Verwandlung erfahren diese Spannungen in einer langen | |
Reihe farbiger Fotocollagen. Zu sehen sind Aufnahmen von | |
Halbedelkristallen. Sie wurden in der Mitte zerschnitten und dann wieder | |
neu zusammengefügt. Wie ein überdimensionierter Filmstreifen ziehen sie | |
sich in zwölf Meter Länge über den Galerieboden. Die montierten | |
Kristallgebilde wirken wie wundersame Berglandschaften. Die über | |
Jahrhunderte gewachsenen Hälften scheinen in sich zu ruhen. | |
Als zusammengefügte Figuren hingegen irritieren sie und man beginnt, in der | |
langen Reihe nach der jeweils richtigen Hälfte Ausschau zu halten, als | |
wolle man den gewaltvollen Prozess, der die Entstehung der Collagen | |
ermöglicht hat, nachvollziehen, nach seinem Ende. Radek Krolczyk | |
Ausstellung: Kate Andrews „The Semantics of Softer Landings“, Städtische | |
Galerie Bremen, Buntentorsteinweg 112. Täglich außer Mo, 12–18 Uhr, bis 28. | |
7. | |
21 Jun 2024 | |
## AUTOREN | |
Radek Krolczyk | |
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