| # taz.de -- Keine Therapie für Traumatisierte | |
| > Geflüchteten mangelt es an psychosozialer Unterstützung im deutschen | |
| > Gesundheitssystem, zeigt ein aktueller Versorgungsbericht. Nur 3 Prozent | |
| > der Bedürftigen sind demnach in Behandlung | |
| Von Sabrina Osmann | |
| Ein Bericht zur psychosozialen Versorgung von Geflüchteten stellt fest, | |
| dass nur eine alarmierende Minderheit von 3,1 Prozent der Betroffenen eine | |
| entsprechende Behandlung erhält. Die Studie der bundesweiten | |
| Arbeitsgemeinschaft der psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und | |
| Folteropfer (BafF) erklärt, dass 2022 nur 26.000 Klienten in den 48 | |
| Psychosozialen Zentren (PSZ) des Dachverbands BafF von spezialisierten | |
| Leistungen wie Psychotherapie profitierten. Die Zahl der Menschen in | |
| Behandlung ist weitaus kleiner als die der Geflüchteten im Land, von denen | |
| laut Studien etwa 30 Prozent eine Therapie bräuchten. | |
| 16,4 Prozent der Versorgten waren laut Bericht minderjährig. Die meisten | |
| Betroffenen kamen aus Afghanistan, Syrien, dem Iran, der Ukraine und dem | |
| Irak, mehr als die Hälfte hatte einen unsicheren Aufenthaltsstatus in | |
| Deutschland. | |
| „Dabei können Teilhabe und Integration nur dann gelingen, wenn Menschen | |
| Zugang zu bedarfsgerechter psychosozialer Versorgung haben“, so die | |
| Co-Autorin des Berichts, Yukako Karato. Es stünden mehrfache strukturelle | |
| Hürden einer diskriminierungsfreien Versorgungslage entgegen. Die | |
| psychosozialen Zentren seien beispielsweise angesichts des hohen | |
| Versorgungsdrucks gezwungen, bei der Vergabe neuer Therapieplätze Menschen | |
| in noch größeren Krisen zu priorisieren, auch wenn die Stabilisierungsphase | |
| schon behandelter Menschen noch nicht beendet ist. | |
| Ein Drittel der Zentren musste der Umfrage zufolge temporäre Aufnahmestopps | |
| als Maßnahme ergreifen. Ein Viertel der Psychotherapien mussten entgegen | |
| dem therapeutischen Rat abgebrochen werden, da Klienten beispielsweise im | |
| Rahmen von Asylverfahren umverteilt oder abgeschoben wurden. Außerdem | |
| betrug die durchschnittliche Wartezeit auf einen Therapieplatz in einem PSZ | |
| mit über fünf Monaten noch mehr als die ohnehin lange Wartezeit der | |
| gesundheitlichen Regelversorgung. Die unzureichende sowie wenig nachhaltige | |
| Finanzierung der Zentren aus zeitlich befristeten, öffentlichen | |
| Fördermitteln unter hohem bürokratischen Aufwand bei Beantragung erschweren | |
| die Situation zusätzlich. | |
| Diese Bilanz zur gesundheitlichen Versorgung fällt gerade im Kontext des | |
| Weltflüchtlingsberichts des UNHCR, der von einem neuen Höchststand der | |
| Anzahl geflüchteter Menschen ausgeht, besonders ernüchternd aus. Der BAfF | |
| fordert Bund und Länder zu strukturellen Änderungen hin zu einer | |
| diskriminierungsfreien Teilhabe von Geflüchteten am gesellschaftlichen | |
| Leben auf. So sei das deutsche Gesundheitssystem inhärent diskriminierend, | |
| da Geflüchteten nach Asylbewerberleistungsgesetz eine medizinische | |
| Behandlung in den ersten 36 Monaten nach Ankunft nur bei akuten | |
| Erkrankungen und Schmerzen zusteht. | |
| Hinzu komme, dass Sprachvermittlungskosten nicht finanziert werden und es | |
| dem Personal an Ressourcen und Kompetenzen im Umgang mit Menschen mit | |
| Fluchterfahrung mangelt. Damit komme Deutschland seinen Verpflichtungen aus | |
| internationalen Verträgen bezüglich der Schutzfunktion geflüchteter | |
| Menschen nicht nach. | |
| Der Rechtsruck im europäischen Parlament und erwartbare Verschärfungen an | |
| den Außengrenzen der Europäischen Union durch die Reform des Gemeinsamen | |
| Europäischen Asylsystems (GEAS) werden die Lage von Geflüchteten in ganz | |
| Europa weiter verschlechtern. | |
| Vor dem Hintergrund des aktuellen Versorgungsberichts wäre jedoch eine | |
| politische 180-Grad-Wende nötig, erklärt die Arbeitsgemeinschaft der | |
| Psychosozialen Zentren. | |
| 20 Jun 2024 | |
| ## AUTOREN | |
| Sabrina Osmann | |
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