# taz.de -- Rätsel um „taktische Pause“ im Gaza-Krieg | |
> Israels Militär will täglich in bestimmten Gebieten des Gazastreifens | |
> eine Kampfpause einlegen, um Hilfslieferungen durchzulassen. Das sehen in | |
> Israels Regierung nicht alle so | |
Aus Jerusalem Lisa Schneider | |
Am Sonntag hat das israelische Militär angekündigt, im Süden des | |
Gazastreifens täglich eine elfstündige „taktische Pause von | |
Militäraktivitäten“ zu implementieren, um die Versorgung mit Hilfsgütern in | |
dem Gebiet zu verbessern. Die erste solche Pause sei bereits am Samstag | |
erfolgt – an dem auch das mehrtägige Opferfest Eid al-Adha begann, das | |
höchste Fest im Islam. Die Pause soll von 8 bis 19 Uhr anhalten und für | |
eine bestimmte Route zwischen dem Grenzübergang Kerem Shalom und dem | |
europäischen Krankenhaus in Chan Junis gelten. | |
Auf dem X-Kanal des Sprechers des israelischen Militärs Daniel Hagari | |
klingt das Szenario aber etwas anders: Es werde keine Unterbrechung der | |
Kampfhandlungen im südlichen Gazastreifen geben, und auch die Abwicklung | |
von Gütern nach Gaza werde sich nicht ändern. Für humanitäre Güter, in | |
Koordination mit Hilfsorganisationen sei die Route geöffnet. | |
Nach Berichten in den sozialen Medien, etwa von einem Korrespondenten des | |
israelischen Armeeradios Galei Tzahal, soll Premier Benjamin Netanjahu erst | |
am Morgen von den Plänen für die humanitäre Pause erfahren haben – und | |
diese abgelehnt haben. Nach weiterer Nachfrage soll Netanjahu schließlich | |
informiert worden sein: Die Offensive in Rafah gehe weiter, die Taktik des | |
Militärs habe sich nicht geändert. Auch der katarische TV-Sender Al Jazeera | |
berichtet: Es sei unklar, ob Netanjahu und sein Verteidigungsminister Joav | |
Galant über die Pause informiert worden seien. Nach Berichten der | |
israelischen Zeitung Ha’aretz ist die Entscheidung über die „taktische | |
Pause“ in Abstimmung mit Netanjahus Anordnungn erfolgt, den Zufluss an | |
Hilfsgütern nach Gaza zu erhöhen. | |
Wie viele Güter nun tatsächlich in Gaza im Umlauf sind – sowohl Hilfsgüter | |
als auch kommerziell eingeführte – ist nur schwer zu ermitteln. Knapp | |
670.000 Tonnen Hilfsgüter sollen seit Beginn des Krieges in Gaza im | |
vergangenen Oktober per Lastwagen über verschiedene Grenzübergänge | |
eingeführt worden sein. So gibt es Cogat, eine dem Verteidigungsministerium | |
unterstellte Koordinationsstelle für „Regierungsaktivitäten in den | |
Territorien“ – dem besetzten Westjordanland und dem Gazastreifen –, an. | |
Cogat erklärt außerdem: Hilfsgüter in der Menge von 1.000 Lastwägen | |
warteten auf der palästinensischen Seite des Grenzübergangs Kerem Shalom | |
auf Abholung. | |
Immer wieder warnen Hilfsorganisationen, die Verteilung sei angesichts der | |
anhaltenden Kampfhandlungen gefährlich und schwierig. Jüngst besuchte Carl | |
Skau, Vizedirektor des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen, den | |
Gazastreifen, und erklärte: „Es wird immer schwieriger, unseren Job zu | |
machen“ – auch aufgrund der zunehmenden aktiven Kampfhandlungen im Süden | |
und in der Mitte Gazas. „Unsere Mitarbeiter verbringen täglich fünf bis | |
acht Stunden mit Warten an den Checkpoints, Raketen treffen unsere | |
Gebäude“. Der Zusammenbruch von „Gesetz und Ordnung“ in Gaza bedeute | |
außerdem ein Sicherheitsvakuum, Güter würden gestohlen, es komme zu Gewalt. | |
Bis Beginn der Bodenoffensive auf Rafah im Mai hatten dort über eine | |
Million Menschen aus ganz Gaza Zuflucht gefunden. Mittlerweile kontrolliert | |
das israelische Militär den gesamten Philadelphi-Korridor – von der Grenze | |
zwischen Gaza und Israel, die gesamte Grenze zu Ägypten entlang, bis zum | |
Mittelmeer. Am Samstag starben acht Soldaten bei einer Explosion, damit | |
liegt die Opferzahl der Bodenoffensive nun bei 309 Soldaten. Nach Angaben | |
des palästinensischen Gesundheitsministeriums in Gaza wurden bis dato | |
außerdem mehr als 37.000 Palästinenserinnen und Palästinenser getötet. Etwa | |
25.000 von ihnen waren bis Mitte Mai identifiziert und bestätigt. | |
17 Jun 2024 | |
## AUTOREN | |
Lisa Schneider | |
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