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# taz.de -- Am Milieu vorbeimodernisiert
> In einem Neuköllner Milieuschutzgebiet dämmt das Unternehmen Covivio ein
> Wohnhaus. Dabei hat der Bezirk das gar nicht genehmigt. Nun drohen
> Konsequenzen
Von Yannic Walther
Laut war es in den vergangenen Wochen in der Mareschstraße 8 in Neukölln.
Es wurde gehämmert und gemeißelt, dann Dämmplatten angeschraubt – und das
von früh bis spät. So schildert es eine Mietpartei des Hauses, die anonym
bleiben möchte. Und so weit nichts Ungewöhnliches bei einer Fassaden- und
Dachgeschossdämmung. Das Problem: Der Eigentümer Covivio hat für die
Modernisierung gar keine Genehmigung. Das Bezirksamt Neukölln droht dem
Unternehmen deshalb mit einem Bußgeld.
Die Mareschstraße unweit des S-Bahnhofs Sonnenallee liegt im
Milieuschutzgebiet Rixdorf. [1][In Milieuschutzgebieten müssen energetische
Modernisierungen durch das jeweilige Bezirksamt genehmigt werden]. Dadurch
soll verhindert werden, dass sich die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung
in den betroffenen Quartieren verändert. Eine Art [2][Schutzmechanismus für
Bestandsmieter] also, insbesondere mit Blick auf Mieterhöhungen nach
Modernisierungen und dem damit verbundenen Verdrängungsdruck.
Das gilt auch für Dämmungen, wie sie Covivio in der Mareschstraße vornimmt.
Auf Anfrage muss das laut Eigendarstellung „360°-Immobilienunternehmen“
einräumen: „Die Arbeiten wurden begonnen, da wir irrtümlich davon
ausgegangen waren, dass ein Antrag gestellt und positiv beschieden worden
war. Dies war leider nicht der Fall.“ Darüber hinaus teilt die
Covivio-Sprecherin mit: „Wir bedauern dies außerordentlich und haben
entsprechend umgehend mit der zuständigen Verwaltung das Gespräch gesucht.“
Im Zuge der taz-Recherche hat das Unternehmen die Arbeiten nun vorerst
gestoppt.
Es war allerdings nicht der erste Anlauf, das Haus ohne Genehmigung zu
dämmen: Bereits im vergangenen Sommer starteten erste Arbeiten. Erst nach
Aufforderung durch das Bezirksamt habe Covivio im September 2023 einen
Antrag für die Modernisierungsarbeiten gestellt, sagt der Sprecher von
Neuköllns Baustadtrat Jochen Biedermann (Grüne) zur taz. Der Antrag sei
„jedoch nie vervollständigt worden und konnte dementsprechend nicht
abschließend durch das Bezirksamt bearbeitet werden“. Und vor allem: „Ein
neuer Antrag ist nicht gestellt worden.“ Covivio bestätigt das auf
Nachfrage.
Das Bezirksamt Neukölln droht nun mit Konsequenzen. „Ein Bußgeld für Bauen
ohne Genehmigung befindet sich in Bearbeitung. Weitere Verfahren sind nicht
ausgeschlossen“, teilt Biedermanns Sprecher mit. Seitens Covivio heißt es,
man bereite den Antrag derzeit vor und werde diesen „kurzfristig“
einreichen.
Bereits am Montag habe man einen Baustopp verhängt. Im Anschluss seien
lediglich noch „Aufräumarbeiten“ erfolgt. Die Mieter sollen über den
Vorgang informiert werden. Die Mietpartei aus der Mareschstraße 8, mit der
die taz gesprochen hat, schildert das anders: „Auch diese Woche war kein
Baustopp zu erkennen. Die vergangenen Tage war ein riesiger Lärm, weil die
Balkone abgeschliffen wurden.“
Demnach reiht sich die Modernisierung in eine lange Liste von Maßnahmen zur
Erhöhung der Miete ein, die das Unternehmen in der Mareschstraße vornehmen
würde. So ist vom Einbau neuer Fenster die Rede und von nichtexistenten
Posten in der Nebenkostenabrechnung wie einem Fahrradabstellplatz, den es
gar nicht gebe. „Es entsteht der Eindruck, dass das ein Heuschreckenkauf
war und nun mit allen Mitteln versucht wird, das Geld wieder
hereinzuholen“, sagt die Person.
Für die bisher nicht genehmigte Dämmung haben die Mieter noch keine
Erhöhung erhalten. Covivio rechnet nach Abschluss der Dämmmaßnahmen mit
einer Energieeinsparung von rund einem Drittel des vormaligen Verbrauchs.
Für die Modernisierung seien auch Fördermittel beantragt worden. „Diese
Förderung führt zu einer entsprechenden Reduzierung der Mieterhöhung“, so
die Covivio-Sprecherin.
Es ist nicht das erste Mal, dass der Immobilienkonzern mit seinen – Stand
2023 – rund 17.000 Wohnungen in Berlin in die Schlagzeilen gerät. Im
vergangenen Jahr [3][stand die deutsche Tochter eines französischen
Aktienunternehmens als erste mit auf der Matte], als es darum ging, den
kurz zuvor vorgestellten, damals noch „einfachen“ und damit gesetzlich
nicht bindenden Berliner Mietspiegel zu umgehen, um höhere Mietforderungen
durchzudrücken.
10 Jun 2024
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## AUTOREN
Yannic Walther
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