# taz.de -- tazđŸthema: Versteckt und unbeachtet | |
> Wandmalereien, Skulpturen, Reliefs: Eine Wanderausstellung zeigt 70 Jahre | |
> Kunst an Ministerien und Bundesbehörden, die sonst oft nicht fĂŒr die | |
> Ăffentlichkeit einsehbar ist | |
Von Joachim Göres | |
Kunst am Bau â unter diesem Begriff entstanden seit 1950 in Ost- und | |
Westdeutschland Wandmalereien, Skulpturen, Mosaike, Reliefs und andere von | |
KĂŒnstlern gestaltete Werke an öffentlichen GebĂ€uden. GröĂter Auftraggeber | |
war der Staat als Bauherr. Die so in den letzten 70 Jahren geschaffenen | |
rund 10.000 Kunstwerke an GebĂ€uden des Bundes â darunter Ministerien, | |
Botschaften, Gerichte und Kasernen â sind oft nicht fĂŒr die Ăffentlichkeit | |
zu sehen. | |
Die vom Bundesinnenministerium organisierte Ausstellung â70 Jahre Kunst am | |
Bau in Deutschlandâ will das Ă€ndern: Ab sofort prĂ€sentiert das | |
Kulturquartier Erfurt Fotos von rund 60 dieser Werke so bekannter KĂŒnstler | |
wie Henry Moore, Rebecca Horn, Willi Sitte und Wolfgang Mattheuer sowie | |
erlÀuternde Texte. | |
Kunst am Bau â ein etwas irrefĂŒhrender Begriff, denn die Werke können sich | |
auch davor, dahinter, darĂŒber oder darunter befinden. Die FlĂ€chenskulptur | |
âInsulanerâ von Barbara Trautmann steht sogar im GrĂŒnen. Trautmann hat 2014 | |
auf der Insel Riems in Vorpommern 189 orange Ikosaeder aus Stahlblech auf | |
einer Wiese platziert, die an ein Virusmodell erinnern und damit Bezug zur | |
Insel nehmen: Dort ist das Friedrich-Loeffler-Institut angesiedelt, das | |
sich mit Tierseuchen und virologischer Forschung beschÀftigt. Eine | |
Installation in krÀftigen Farben, die nur die rund 150 BeschÀftigten beim | |
Blick aus ihren Laboren vor Augen haben â aus SicherheitsgrĂŒnden darf | |
niemand anderes auf die Insel. | |
Ganz unscheinbar wirken dagegen zwei SchieferbÀnke auf der FreiflÀche des | |
1999 eröffneten Bundesarbeitsgerichts in Erfurt. Ian Hamilton Finlay hat in | |
die eine Bank einen Vers des Dichters Horaz im Original eingemeiĂelt, die | |
deutsche Ăbersetzung findet sich auf einer zweiten Bank: âDA, WO EHEMALS | |
RUDER / DIE HOHEN WELLEN / TEILTEN, DA LOCKERT / JETZT DER PFLUG DAS / | |
LAND.â Den Text entdeckt man nur, wenn man direkt vor der Bank steht. Ein | |
minimalistisches Kunstwerk, das gut zum schnörkellosen Neubau aus | |
Sichtbeton und Naturstein passt. | |
Wer in Berlin das Bundesverteidigungsministerium betritt, wird seit 2002 | |
von einem roten Teppich des KĂŒnstlers Via Lewandowsky empfangen. Bei | |
genauerem Hinsehen zeigt sich dem Betrachter ein Luftbild des durch den | |
Zweiten Weltkrieg zerstörten Viertels rund um den heutigen Amtssitz, in dem | |
einst das Oberkommando der Wehrmacht seine Befehle gab. | |
Das Verdienst der Ausstellung ist es, dass sie der Ăffentlichkeit | |
Kunstwerke zeigt, die ihr sonst meist verborgen bleiben â was auch die | |
Frage aufwirft, warum die Kunst am Bau eigentlich hÀufig so platziert | |
wurde, dass sie nur wenige Menschen betrachten können. | |
Die SchwÀche der Ausstellung offenbart sich in der politischen Botschaft, | |
die so formuliert wird: âIm Gegensatz zur DDRâ habe es in der | |
Bundesrepublik keine âdirekte Einflussnahme durch ranghohe Politiker*innen, | |
Parteien oder die Bauverwaltungâ gegeben. Als Beweis fĂŒr diese Aussage wird | |
im Katalog der Neubau des Bundesrechnungshofes in Frankfurt am Main 1953 | |
angefĂŒhrt, fĂŒr den der renommierte KĂŒnstler Eberhard Schlotter im Foyer ein | |
Wandbild mit Stadtmotiven aus Potsdam schaffen sollte. Die öffentlich | |
geĂ€uĂerte Kritik des RechnungshofprĂ€sidenten an den erzĂ€hlerischen | |
Figurengruppen anstelle rein topografischer Motive fĂŒhrte lediglich zu | |
einer geringfĂŒgigen Modifizierung des 1953 fertiggestellten Graffitosâ, | |
heiĂt es beschwichtigend. | |
TatsÀchlich kritisierte RechnungshofprÀsident Josef Mayer das Wandbild | |
heftig wegen der âverspielten Darstellungâ und bewirkte, dass Schlotter | |
Liebespaare durch BrĂŒcken und Brunnen ersetzen musste. Mayer wollte mit der | |
Darstellung von imposanten Bauten aus Potsdam an die VorgÀngerbehörde | |
erinnern, die bis 1945 ihren Sitz in Potsdam hatte â auch wenn der | |
Rechnungshof des Deutschen Reiches maĂgeblich an der Enteignung der Juden | |
und der AusplĂŒnderung der im Zweiten Weltkrieg besetzten Gebiete beteiligt | |
war. Schlotter war dagegen kein Freund pompöser Gesten, sondern wollte mit | |
seinen Wandbildern Lebensfreude vermitteln. Sein Fazit nach zahlreichen | |
Kunst-am-Bau-Projekten: âWir waren ja bereit â aber die Gesellschaft hatte | |
kein Interesse an den Ideen der KĂŒnstler.â | |
Die Ausstellung ist bis 14. 7. im Kulturquartier Erfurt zu sehen, danach in | |
Wiesbaden (18. 7.â18. 8., Rhein Main Congress Center), in Mainz (5. 9.â11. | |
10., Zentrum Baukultur) und in Cottbus (18. 10.â24. 11, BTU | |
Cottbus-Senftenberg). | |
25 May 2024 | |
## AUTOREN | |
Joachim Göres | |
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