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# taz.de -- tazđŸŸthema: Bio trifft Volkskunde
> Am 20. Mai ist Weltbienentag. Zeit fĂŒr einen Besuch in Imker-AGs an
> Schulen. Dort erfahren Kinder und Jugendliche bei praktischen Arbeiten
> viel ĂŒber die Bedeutung der Bienen fĂŒr die Umwelt
Bild: Wer sich um Bienenvölker kĂŒmmert und Honig erntet, erfasst dabei auch g…
Von Joachim Göres
Lotta, Marike, Mathilda, Melis und Smilla haben sich ihre Schutzjacken samt
Imkerschleier und Handschuhen angezogen und nĂ€hern sich mehreren grĂŒnen
HolzkÀsten. Diese sogenannten Beuten stehen auf dem GelÀnde des Gymnasiums
Ernestinum im niedersĂ€chsischen Celle. Die MĂ€dchen der Imkerei-AG kĂŒmmern
sich pro Woche zwei Schulstunden um die hier lebenden vier Bienenvölker.
Sie öffnen die Deckel der Beuten und ziehen nacheinander die Holzrahmen
heraus, auf denen sich unzÀhlige Bienen tummeln. AG-Leiterin Greta Körfer,
die an der Schule Deutsch und Mathematik unterrichtet, lenkt mit ihren
Fragen den Blick der SchĂŒlerinnen aus der 6. bis 10. Klasse auf wichtige
Details.
Smilla schaut, ob der Honig schon geerntet werden kann – noch ist es nicht
so weit. Deutlich sichtbar ist dagegen in den sechseckigen Wachswaben
verdeckelte Drohnenbrut. Die muss beseitigt werden, weil sie besonders
anfĂ€llig fĂŒr die Varroamilbe ist, einen gefĂ€hrlichen BienenschĂ€dling.
ZunĂ€chst streifen die SchĂŒlerinnen die Bienen an den Waben mit einer BĂŒrste
ab. Die Bienen fliegen in alle Richtungen – damit sie niemanden angreifen,
wird mit dem Smoker weißer Rauch mit einem KrĂ€uterzusatz in die Luft
geblasen, der die Bienen beruhigt. Dann schneidet Lotta mit einem scharfen
Messer die Drohnenbrut heraus. Auf einem Dokumentenblatt haben die
SchĂŒlerinnen fĂŒr jedes Bienenvolk den aktuellen Zustand notiert und können
so beim heutigen Besuch feststellen, was sich in letzter Zeit verÀndert
hat.
Außerdem tragen sie in einen phĂ€nologischen Kalender jedes Mal Daten ein,
die fĂŒr die Entwicklung der Bienen wichtig sind: Welche Pflanzen blĂŒhen
gerade? Wie sind die aktuellen Höchst- und Tiefsttemperaturen? Wie groß war
die Niederschlagsmenge in letzter Zeit? „Es hat jetzt schon drei Wochen
nicht mehr geregnet. Das ist fĂŒr die Bienen schwierig, denn sie brauchen
Wasser, um sich zu kĂŒhlen“, sagt Körfer. „FrĂŒher fand ich es gut, wenn es
lange nicht geregnet hat und die Sonne schien. Durch die BeschÀftigung mit
den Bienen weiß ich jetzt, wie wichtig Regen ist und welche negativen
Auswirkungen es hat, dass es immer wĂ€rmer wird“, sagt die zwölfjĂ€hrige
Marieke. „Durch die Arbeit mit den Bienen wird das Thema Umwelt wichtiger“,
ergÀnzt ihre Klassenkameradin Mathilda, die auch die Abwechslung nach sechs
Stunden Unterricht schĂ€tzt: „Nach der Schule bin ich oft mĂŒde, doch hier an
der frischen Luft können wir uns bewegen. Ich fĂŒhle mich nach der AG immer
besser.“
Bienen-Arbeitsgemeinschaften gibt es an vielen Schulen – dort, wo einzelne
engagierte LehrkrÀfte, die meist selbst Imkererfahrung haben, ihr Wissen
an Kinder und Jugendliche weitergeben und bei ihnen so ein besseres
VerstĂ€ndnis fĂŒr den Schutz der Umwelt schaffen möchten. Andrea Möller,
Professorin am Zentrum fĂŒr Lehrer:innenausbildung und Department fĂŒr
Evolutionsbiologie an der UniversitĂ€t Wien, hat an fĂŒnf Schulen in
Rheinland-Pfalz untersucht, welchen Effekt sowohl die kurz- als auch die
langfristige praktische BeschÀftigung mit Bienen auf Einstellung und
Handeln der SchĂŒlerInnen hat. Dabei beobachtete sie, dass schon ein halber
Projekttag mit direkten Begegnungen mit Bienen zu mehr Interesse an der
Natur und an Bienen fĂŒhrt. Bei Interviews mit SchĂŒlerInnen, die ĂŒber einen
lÀngeren Zeitraum eine Bienen-AG besucht haben, stellte sie vor allem mehr
WertschĂ€tzung fĂŒr die Leistungen der Biene, weniger Angst vor stechenden
Bienen sowie die Zunahme des Wissens ĂŒber die Biene fest. Möller belĂ€sst es
nicht bei der Theorie: Sie hat das Programm „Bildung durch die Biene“
entwickelt, bei dem Lehramtsstudierende der Unis Wien und Trier Kinder und
Jugendliche mit Bienen in BerĂŒhrung bringen (bee-ed.org).
Die befragten LehrkrĂ€fte sind eher zurĂŒckhaltend, wenn es um das Thema
Umweltbildung in ihrer AG geht. Stellvertretend fĂŒr diese Haltung zitiert
Möller einen AG-Leiter: „aber wie gesagt, man soll auch die SchĂŒler nicht
im ersten Jahr mit den ganzen Problemen belasten. Die sollen auch erst mal
Spaß bekommen an der Sache an sich. Und eh nicht gleich, wie gesagt, das
wieder zu sehr verschulen.“
Der Biologe Jonas Ewert ist Projektreferent beim Verein Mellifera
(mellifera.de). Er organsiert Bienenerlebnistage, bei denen Schulklassen
Imker besuchen, lÀdt Schulen zu sich nach Rosenfeld ein und bietet
Weiterbildungen fĂŒr LehrkrĂ€fte zum Thema Bienenhaltung in der Schule an.
Dabei interessieren sie sich nach seiner Erfahrung besonders fĂŒr
Versicherungsfragen (falls ein Kind gestochen wird und es allergisch
reagiert) und die Finanzierung ĂŒber Fördervereine, Stiftungen oder
Unternehmen. „Das Interesse an Bienen-Arbeitsgemeinschaften hat an Schulen
zugenommen. Wir bieten auch Materialien an, denn es gibt wenig
Handreichungen fĂŒr die DurchfĂŒhrung einer Bienen-AG, und LehrkrĂ€fte suchen
sich alles selbst zusammen“, sagt Ewert. In Berlin gestalten die
Mitarbeiter:nnen der Stadtbienen gGmbH (stadtbienen.org) fĂŒr und mit
SchĂŒlerInnen ein spezielles Programm zum Thema Bienen.
Was macht den MĂ€dchen der Celler Imkerei-AG am meisten Spaß? „Riemchen
bauen, imkern, Honig abfĂŒllen“, sagt Marike. AG-Leiterin Körfer muss sich
auch in den Ferien und an manchen Wochenenden um die Bienenvölker ihrer
Schule kĂŒmmern. Warum nimmt die 32-JĂ€hrige, die zu Hause selbst noch fĂŒnf
Bienenvölker hĂ€lt, diese zusĂ€tzliche Arbeit auf sich? „Ich freue mich ĂŒber
das wachsende Interesse der SchĂŒlerinnen an Bienen und der Natur insgesamt.
Einige ĂŒberlegen, selbst zu Hause Bienen zu halten. Und dann ist diese Zeit
auch fĂŒr mich ein schöner Ausgleich nach Schulschluss, endlich kann ich was
tun und mich bewegen.“ FĂŒr interessierte LehrkrĂ€fte hat sie zwei Tipps:
„Ich habe mehrere Fortbildungen gemacht, der Austausch mit anderen
AG-Leitern ist wichtig. Außerdem ist es gut, wenn man im Kollegium
zumindest eine Mitstreiterin hat, mit der man sich auch mal abwechseln
kann.“ DafĂŒr hat sie die Bio- und Deutschlehrerin Anna Bösche angelernt –
sie leiten inzwischen zu zweit die AG.
18 May 2024
## AUTOREN
Joachim Göres
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