# taz.de -- Gegen die Entthronung | |
> Nach neun Pokalsiegen in Folge sind die Fußballerinnen des VfL | |
> Wolfsburgam Donnerstag im Finale gegen den FC Bayern dennoch kein Favorit | |
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Bild: Stimmungswandel: In den direkten Duellen hatten die Münchnerinnen zuletz… | |
Von Frank Hellmann | |
Zehn Jahre ist es jetzt her, dass Ralf Kellermann bloß als unbeteiligter | |
Zuschauer über die Vorwiesen des Kölner Stadions spazierte, um sich zum | |
DFB-Pokalfinale der Frauen beim vorgelagerten Fan- und Familienfest | |
umzuschauen. Damals hat der Sportdirektor vom VfL Wolfsburg das bunte | |
Vorprogramm unbeschwert genossen, wobei es danach als Verantwortlicher auch | |
nicht so unglücklich gelaufen ist. Seit 2015 hieß der Gewinner immer | |
Wolfsburg, der nun im Endspiel gegen den FC Bayern (Donnerstag 16 Uhr/ZDF | |
und Sky) das zehnte Mal hintereinander triumphieren möchte. | |
Gegen den frisch gekürten Meister gilt es, eine Serie von 49 (!) | |
Pokalspielen ohne Niederlage zu verlängern, während die Münchnerinnen | |
erstmals das Double gewinnen können. Kellermann freut sich auf ein | |
„herausragendes Highlight, eine attraktive Paarung, die das Nonplusultra im | |
deutschen Frauenfußball darstellt“. Bloß, wenn der 55-Jährige vorgibt, | |
allein etwas „gewinnen zu können“, stimmt das nicht so ganz: | |
Führungsspielerin Alexandra Popp hat dem Fachmagazin Kicker gesagt, dass es | |
„schlimm“ wäre, erstmals seit 2012 ohne Titel zu bleiben. Die 33-Jährige | |
gewann bereits ein Dutzend Mal den Pokal: das erste Mal 2009 mit dem FCR | |
Duisburg, als die Frauen noch das Vorspiel in Berlin zu den Männern | |
bestritten. Damals hätte sich das Olympiastadion erst nach einer Stunde | |
„ein bisschen gefüllt, weil dann die Fans der Männervereine reinkamen“. | |
Die Zeiten als Anhängsel sind zwar seit 2010 vorbei, doch es hat bis ins | |
vergangene Jahr gedauert, dass die Heimspielstätte des 1. FC Köln erstmals | |
ausverkauft war. Auch jetzt sind fast alle 44.000 Tickets weg. Beim letzten | |
Finale in dieser Konstellation ging es 2018 nach torlosen 120 Minuten ins | |
Elfmeterschießen, bei dem die inzwischen für den HSV spielende Torhüterin | |
Almuth Schult die entscheidende Parade vollbrachte. „Pokalspiele können wir | |
extrem gut“, versichert Popp, die sich fast ans Ritual gewöhnt hat, „ins | |
Ermüdungsbecken reinzuhüpfen, mit einem Bierchen in der Hand“. Ihr Team hat | |
in der Liga die meisten Tore geschossen (58), der Gegner am wenigsten | |
kassiert (7). Den Münchnerinnen gelang im Frühjahr mit einem 4:0 in der | |
Autostadt eine Demonstration, die die Verschiebung der Machtverhältnisse | |
belegte. | |
Chefcoach Alexander Straus hat eine fast perfekte Balance hinbekommen. „Wir | |
wollen dauerhaft die Nummer eins sein“, beteuert der Norweger, der sein | |
Ensemble noch nicht am Limit sieht und sich mit viel Empathie das Vertrauen | |
verdient hat. Nationalspielerin Giulia Gwinn sieht den Zusammenhalt als | |
wichtigen Faktor an, um ein Endspiel zu gewinnen, „das sich | |
Fußball-Deutschland gewünscht hat“. Die Qualität ihrer Mannschaft sei | |
hierzulande „mit keiner zu vergleichen“, betont die 24-Jährige. | |
Der Pokalsieg in Köln würde deutlich ausgelassener begossen als die | |
Meisterschaft zuletzt in Leverkusen. Selbst wenn es so käme, bräche in | |
Wolfsburg aber nichts zusammen. Dass VW-Chef Oliver Blume den Sport als | |
verbindendes Element betrachtet und insbesondere die Unterstützung der | |
VfL-Fußballerinnen eher ausbauen als zurückschrauben will, gibt Kellermann | |
die Gewissheit, auch nächste Saison ein schlagkräftiges Team auf den Rasen | |
zu bekommen. | |
Dennoch müssen Abgänge wie von Topverteidigerin Dominique Janssen oder | |
Torjägerin Ewa Pajor erst kompensiert werden. Und weil Leistungsträgerin | |
Lena Oberdorf („eine der Besten der Welt“) bekanntlich nach München | |
wechselt, sagt Kellermann schon heute: „Der FC Bayern geht auch als klarer | |
Favorit in die neue Saison. Wir sind wirtschaftlich international nicht so | |
aufgestellt wie die großen Vereine.“ Topstars wie die Bayern mit der | |
Ex-Wolfsburgerin Pernille Harder, ihrer Lebensgefährtin Magdalena Eriksson | |
oder im Jahr zuvor mit der Europameisterin Georgia Stanway könne der VfL | |
nicht verpflichten. FCB-Vorstandschef Jan-Christian Dreesen ist überzeugt, | |
dass Gwinn und Co die nächsten Jahre „eine Ära prägen.“ | |
Kellermann sieht an dieser Stelle die größte Veränderung: „Dass die Herren | |
an der Spitze keine Gelegenheit auslassen, sich zu positionieren.“ Neu sei | |
auch, dass der Rivale seine Leistung „verlässlich abruft“. Wenn er anmerkt, | |
dass das Ausscheiden in der Gruppenphase der Champions League „nicht der | |
Anspruch“ der Bayern war, stimmt das. Das Wolfsburger Ausscheiden vorher in | |
den Play-offs verschweigt er indes nicht. Sich international besser zu | |
präsentieren, ist der klare Auftrag für beide Spitzenteams. Ganz unabhängig | |
davon, wie das Duell an Christi Himmelfahrt ausgeht. | |
8 May 2024 | |
## AUTOREN | |
Frank Hellmann | |
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