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# taz.de -- berliner szenen: Die Haare kommen in Wellen
Thema: weibliche Körperbehaarung. Die vier am Nachbartisch unterhalten sich
angeregt und aufgeregt. Anfangs reden ausschließlich die Frauen, der Mann
hört zu. Sie ereifern sich über abfällige Bemerkungen einer Kommilitonin.
Die hätte einfach noch nicht verstanden, dass das ständige Beine-Rasieren
einem patriarchalen Diktat folgt. Wenn sie das so schön finden, könnten
Männer sich ja die eigenen Beine rasieren. Machen aber nur Sportler, andere
ertragen nicht, wenn ihre nachwachsenden Haare jucken oder sich die Poren
entzünden. Sie wollten nur, dass ihre Partnerinnen zart und unterwürfig wie
kleine Mädchen aussehen. Der wütende Wortschwall nimmt kein Ende.
Mir kommt es vor, als hätte ich diese Diskussion so oft gehört wie die
Frage, ob Hüfthosen gut aussehen. Im Archiv finden sich garantiert Texte
aus mehreren Jahrgängen. Und jedes Mal haben junge Frauen das Gefühl,
mutige Vorkämpferinnen zu sein. So wie wir, als wir unsere französische
Austauschschülerin im Schwimmbad mit unrasierten Achseln schockierten. Ihre
verschämt geflüsterten Hygienehinweise haben wir lachend als Unsinn
entlarvt.
Die dritte junge Frau am Nachbartisch erklärt gerade, dass auch sie
inzwischen ihren Rasierer weggeschmissen hat. Sie wollte ja anfangs nicht,
aber dann hat sie ein Model mit behaarten Beinen gesehen und das in einer
geilen Anzeige für Haute-Couture – wie ein Trend. Sag ich doch,
Mode-Wellen.
Es sind bestimmt 20 Minuten vergangen, als der vierte im Bunde, der bislang
stumm war, nach seiner Meinung gefragt wird. Er kommt aus Brasilien, wo
schon Mädchen das Enthaaren mit Heißwachs lernen. „Ihr fragt mich als
Freund, richtig? Ihr wollt eine ehrliche Meinung?“ Die drei nicken
synchron. „Ich finde Körperhaare bei Frauen ekelig.“ Seine Offenheit dürf…
er bereut haben.
Claudia Ingenhoven
8 May 2024
## AUTOREN
Claudia Ingenhoven
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