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# taz.de -- Der Bullshit-Wort-Check, Folge 6: „Technologieoffenheit“ und �…
> Was taugen diese Begriffe für das Verständnis der Gegenwart? taz
> FUTURZWEI-Gastautorinnen testen Standards des politischen Sprechens.
> Heute: Claudia Kemfert und Hedwig Richter.
Bild: Der technologieoffene Bundesminister Volker Wissing (FDP) schwört auf E-…
[1][taz FUTURZWEI] | In der heutigen Folge in unserem
„Bullshit-Wort-Checks“: CLAUDIA KEMFERT, Leiterin der Abteilung Energie,
Verkehr, Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW
Berlin), kann mit „Technologieoffenheit“ nicht viel anfangen. HEDWIG
RICHTER, Professorin für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität
der Bundeswehr München und momentan Fellow am Wissenschaftskolleg zu
Berlin, ist skeptisch gegenüber dem oft geforderten „Bürokratieabbau“.
Technologieoffenheit (Claudia Kemfert)
Der Begriff „Technologieoffenheit“ suggeriert, es gäbe das Gegenteil, also
eine Art Technologieverbot, -tabu oder andere Verschlossenheit. Das ist
Unsinn, erst recht in einem Industrieland wie Deutschland, dessen
Wirtschaftskraft auf Innovation, Ingenieurskunst und zukunftsweisenden
Technologien basiert. Ein solches Verbot gibt es nicht. Aber es gibt eine
wirtschaftliche Vernunft im Umgang mit Technologien. Ineffiziente,
veraltete Technologien sind ökonomischer Ballast. Visionäre Technologien
sind hochriskante Spekulation. Oder anders gesagt: Bei der Wahl zwischen
Brieftaube und Zeitmaschine wählt der Ökonom des 21. Jahrhunderts das
Internet.
Dasselbe gilt für Mobilität. Verbrennungsmotoren haben so viele Nachteile,
dass sie nicht mehr lange im Markt überleben werden. Ineffizienz,
Umweltschäden, Klimafolgekosten, Abhängigkeiten von fossilen Lieferanten.
Das hat keine Zukunft. Und E-Fuels mögen eine Zukunft haben, aber sie haben
leider noch keine Gegenwart. Sie sind noch Zukunftsmusik, müssen
entwickelt, geprüft und etabliert, und vor allem mit viel Ökostrom
hergestellt werden. Elektromobilität dagegen ist bereits vorhanden, seit
vielen Jahren technisch erprobt und jetzt so ausgereift, dass in großer
Stückzahl industriell gefertigt wird, vom E-Auto, -Roller bis zum E-Bus.
Vor allem ist E-Mobilität effizient: E-Fuels verbrauchen achtmal so viel
Ökostrom wie eine direkte Nutzung. Auch auf der Schiene ist
Elektromobilität unschlagbar.
Wer stattdessen „Technologieoffenheit“ proklamiert, will lediglich die
Modernisierung blockieren und auf diese Weise die alte Technologie
möglichst lange im Spiel halten. Wir brauchen nicht Technologieoffenheit,
sondern Technologieklarheit!
Bürokratieabbau (Hedwig Richter)
Klar, Bürokratie kann echt ein Problem sein. Wer eine nicht-deutsche
Partnerin heiratet, verbringt ein Jahr mit dem Nachweis von Nachweisen,
darunter viele Tage in den berüchtigten Amtsstuben. Steuerklärungen sind
eine Zumutung, und Hebammen und Krankenpfleger beschäftigen sich zu viel
mit Tabellen und zu wenig mit Menschen. Von der Wiege bis zur Bahre, unser
Leben ist überwuchert von Administration.
An vielen Stellen ließe sich zweifellos viel Bürokratie vermeiden, und wenn
die Jungs von der FDP routiniert den »Bürokratieabbau« fordern, will man
ihnen tatsächlich spontan zustimmen.
Allerdings leben wir in einer modernen Gesellschaft, die hochkomplex ist.
Wenn ein Flugzeug startet, ist es umgeben von einer Mandorla an Bürokratie.
Das ist lästig, aber es ist auch faszinierend und schön, und wegen der
ganzen Regulierung ist ein Absturz höchst unwahrscheinlich. Ohne Bürokratie
würden wir in Korruption ertrinken oder an Nahrungsmittelvergiftung
sterben. Sobald mal etwas nicht reguliert ist, kriegen wir Zustände, und
das vollkommen zu Recht. Staatsexamina, Haltbarkeitsdatum, Aktienhandel
oder Hausratsversicherung: Sie brauchen nicht nur Bürokratie, sondern viel
Bürokratie. Insbesondere unsere Demokratie haben wir zu nicht
unwesentlichen Teilen der Administration zu verdanken – von den Wahlen bis
zum Rechtsstaatsprinzip. Jedes Mal also, wenn wir forsch den
Bürokratieabbau fordern, sollten wir zuvor kurz innehalten und dankbar der
Segnungen der Administration gedenken.
Mehr Bullshit-Wort-Tests finden Sie in der neuen taz FUTURZWEI-Ausgabe
„[2][Weiterdenken]“ und [3][an dieser Stelle auf taz.de].
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warum? Schreiben Sie uns: [4][[email protected]].
8 Apr 2024
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## AUTOREN
Claudia Kemfert
Hedwig Richter
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