# taz.de -- „Sucht Euch Euren Safe Space und steht dazu, wer ihr seid“ | |
> Christina Schneydin von Quarteera e. V. berät russischsprachige, queere | |
> Menschen in Deutschland. Sie ist unser Gast beim taz lab | |
taz lab: Frau Schneydin, was hat Ihre Familiengeschichte mit Ihrer | |
Identitätsentwicklung und Ihrem Verständnis von Queerness zu tun? | |
Christina Schneydin: Meine Eltern sind 1998 als Kontingentflüchtlinge aus | |
der Ukraine nach Deutschland gekommen. Ich kam in einer Kleinstadt bei | |
Zwickau zur Welt. In der Pubertät habe ich angefangen zu denken, dass ich | |
anders bin, und da hat sich die Schule für mich fast schon zu einem Safe | |
Space entwickelt. Es gab in meinem Jahrgang auch andere, die sich als | |
bisexuell oder lesbisch geoutet haben. | |
Und zu Hause? | |
Meine Mutter denkt, dass ich ein normales Kind war, bis ich in der Schule | |
durch schlechte Einflüsse umerzogen wurde. Ich hatte mein Coming-out erst | |
in meinen Zwanzigern. Aber ich habe das Glück, dass ich von meiner Familie | |
nicht ausgestoßen wurde. Sie lieben und unterstützen mich trotzdem. | |
Sie arbeiten für Quarteera e. V., einem Verein für russischsprachige queere | |
Menschen in Deutschland. | |
Genau. Wir wollen ein politisches Sprachrohr für diese Menschen sein: sie | |
in politischen Gremien vertreten und dort Lobbyarbeit für sie leisten. | |
Außerdem sind wir ein Safe Space für Menschen, die in Deutschland ankommen. | |
Und wir haben einen Aufklärungsauftrag: ein Teil unserer Veranstaltungen | |
gilt den russischsprachigen, konservativ gesinnten Menschen oder denen, die | |
sich mit dem Thema Queerness noch nicht auseinandergesetzt haben. | |
Was sind häufige Probleme, mit denen Menschen zu Quarteera kommen? | |
Aufenthaltsrechtliche Fragen. Bei Menschen aus der Ukraine, ist das Ganze | |
einfacher. Aber Menschen aus anderen Staaten haben keinen besonderen | |
Schutzstatus. Und psychologische Krisensitzungen. Außerdem ist es für viele | |
ein ungewohntes und schönes Gefühl, unter seinesgleichen zu sein. Viele | |
russischsprachige queere Menschen, die nach Deutschland kommen, haben diese | |
Erfahrung noch gar nicht gemacht. Für sie ist das ganz emotional, eine | |
queere Gemeinschaft zu sehen. | |
Gibt es Unterschieden in der Wahrnehmung und Akzeptanz von Queerness | |
zwischen Osteuropa und Deutschland? | |
Der krasse Unterschied ist, dass wir in Deutschland für unsere sexuelle | |
Orientierung nicht ins Gefängnis kommen, unseren Arbeitsplatz verlieren | |
oder zusammengeschlagen werden. Und wenn doch, dann haben wir ein | |
Justizsystem, das uns den Rücken stärkt. Das ist in Russland, Belarus und | |
anliegenden Staaten nicht der Fall. Es gibt in Deutschland natürlich | |
trotzdem Probleme: Wenn Menschen ihr Verhalten nicht reflektieren und | |
Queerness von rechten Netzwerken polarisiert und ausgenutzt wird. Aber in | |
Russland haben die Leute wirklich Angst, vor die Tür zu gehen. | |
Was möchten Sie den jungen queeren Menschen mit auf den Weg geben? | |
Sucht euch euren Safe Space. Es ist schwierig, sich allein durchzukämpfen. | |
Es soll sichtbar werden, dass queere Menschen in unserem persönlichen | |
Umfeld existieren. Und steh dazu, wer du bist. Denn daran ist absolut | |
nichts falsch. Interview: Malin Gehring | |
13 Apr 2024 | |
## AUTOREN | |
Malin Gehring | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |