# taz.de -- Yoga statt Praktikum | |
> ARBEIT Zwei Festangestellte diskutieren über die Generation Praktikum – | |
> und diese sitzt im Publikum, wird im Zuge der Debatte immer wütender und | |
> muss realisieren, dass ihr nur die Krümel bleiben | |
Jessica Heyer, Gewerkschaftsvertreterin, reagiert überraschend gelassen | |
beim Thema unbezahlte Praktika. In der Veranstaltung „Prekärer | |
Berufseinstieg“ soll es darum gehen, wie schwer es ist, überhaupt eine | |
Festanstellung zu bekommen, und zwar unbefristet. Den Frust darüber konnten | |
die hauptsächlich jungen ZuhörerInnen am Mikro äußern. | |
Die Moderatorin, Freitag-Redakteurin Maxi Leinkauf, fordert die Leute auf, | |
ihr Elend weiter ins Mikrofon zu jammern, und begleitet die Aussagen mit | |
mitleidigem Blick. Alle sind sich einig. Alles ist schlecht. Unendlich | |
schwer ist es, einen Job nach dem Studium zu bekommen – und wenn, dann ist | |
er schlecht bezahlt oder die vielen Arbeitsstunden ermöglichen es kaum | |
noch, ein gutes Leben zu führen. Oft reiht sich nur Praktikum für Praktikum | |
aufeinander, statt Job für Job. Und wofür? Für nichts. | |
Anschließend tritt aus dem Publikum eine Mitarbeiterin eines Hamburger | |
Verlages ans Mikro und teilt mit, auch sie bediene sich gern der Mithilfe | |
von Praktikanten. Und sie scheint stolz zu sein auf die praktischen | |
Erfahrungen, die sie jungen Leuten biete. Allein: Sie spricht hier vor 30 | |
jungen Leuten, die genau wissen, wer hier in Wirklichkeit vom wem | |
profitiert in Zeiten der Generation Praktikum. Die üblichen Argumente der | |
Arbeitgeberseite ziehen hier nicht. Die Stimmung im Publikum beginnt ins | |
Wütende zu wechseln: Die Mitarbeiterin muss zugeben, den Praktikanten kein | |
Geld zu bezahlen. Sie kontert: „Wir zahlen mit Kontakten.“ | |
Und da ist sie wieder: die Begründung für Ausbeutung, in einem Land, wo ein | |
Studium schon lange kein Garantieticket in den Arbeitsmarkt mehr ist. Aber | |
Kontakte seien ja nicht alles, sagt die Verlagsmitarbeiterin. Auch ein | |
Gutachten stelle man hin und wieder aus. Gutachten? Was sie wohl meint, ist | |
ein Arbeitszeugnis. Neue Facebookfreunde nebst Arbeitszeugnis statt | |
geldliche Entlohnung plus unlimitierter Arbeitsvertrag? Die Generation | |
Praktikum wird mit einem Krümel gefüttert, während der Kuchen im Safe | |
bleibt. | |
Jessica Heyser bleibt ziemlich emotionslos für eine Vertreterin des | |
Deutschen Gewerkschaftsbundes. „Legal ist das ja nicht“, richtet diese | |
verlegen lächelnd das Wort an die selbsternannte Arbeitgeberwortführerin. | |
Heyser gibt dem Publikum den Rat, einfach keine unbezahlten Praktika zu | |
machen. Die Moderatorin stimmt ihr nickend zu. Beide haben es geschafft, | |
beide genießen den Luxus einer Festanstellung. Auf dem Weg dorthin füllten | |
beide ihren Lebenslauf mit vielen Praktika. Dem Publikum raten sie jedoch | |
davon ab. | |
Zorn breitet sich aus – doch Jessica Heyser bleibt entspannt. Kein Wunder, | |
hat sie ihre Arbeitszeit doch auf die Hälfte reduziert und nutzt die Zeit | |
für ihr Hobby: Yoga. KATJA BARTHOLD | |
16 Apr 2012 | |
## AUTOREN | |
KATJA BARTHOLD | |
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