# taz.de -- das wird: „Es ist sichtbar, wie er leidet“ | |
> Das „Husa Na Provázku“-Theater aus Brno kommt zum tschechisch-deutschen | |
> Kulturfest nach Bremen | |
Interview Lilli Uhrmacher | |
taz: Frau Černá, wieso gibt es vor dem Theaterstück einen Vortrag über die | |
Bukowina? | |
Libuše Černá: In der Bukowina gab es sehr viele verschiedene Kulturen und | |
Sprachen. Bis heute leben dort auch AutorInnen, die auf Deutsch schreiben. | |
Das ist nicht so bekannt, deswegen haben wir eine Einführung vor dem | |
Theaterstück von Oskar Ansull, einem deutschen Schriftsteller, der sich mit | |
dieser Geschichte beschäftigt hatte und dem Publikum etwas über die Kultur | |
der Bukowina und ihre reichhaltige Literatur erzählt, zu der auch Paul | |
Celan gehört, der in der Kulturmetropole Czernowitz geboren wurde und dort | |
der großen jüdischen Gemeinschaft angehört hatte, die zu einem großen Teil | |
Deutsch sprach. | |
Das Stück handelt aber von ihm und Ingeborg Bachmann, oder? | |
Ja, „Herzzeit“ basiert auf dem Briefwechsel zwischen Celan und Ingeborg | |
Bachmann. Diese Korrespondenz ist insgesamt für die europäische Kultur sehr | |
bedeutend: Celan und die Österreicherin Bachmann waren in ihrer Zeit | |
vielleicht die prominentesten Vertreter der deutschsprachigen Literatur. | |
Sie hatten beide trotzdem eine Außenseiterposition. | |
Vor allem Celan? | |
Das ist auch ein Thema im Stück. Es ist sichtbar, wie er darunter leidet, | |
als Mensch, als Schriftsteller, als Intellektueller, dass ihm die | |
Anerkennung verweigert wird, zum Beispiel in der Gruppe 47, bei deren | |
Treffen er auf schlimmste Weise kränkend und herablassend behandelt wurde. | |
Das hat ihn sehr getroffen. | |
Das Treffen der Gruppe 47 war auch ein einschneidendes Erlebnis im | |
Verhältnis zwischen Bachmann und Celan. Welche Rolle spielt der | |
biografische Hintergrund? | |
Er ist entscheidend. Die Familie von Paul Celan war von den Nazis ermordet | |
worden. Er war jüdischer Abstammung und hat den Holocaust eigentlich nur | |
per Zufall überlebt. Ingeborg Bachmanns Familie gehörte zu den Tätern. Ihr | |
Vater war NSDAP-Mitglied und Wehrmachtssoldat. | |
Wird das im Stück thematisiert? | |
Nicht so explizit. Aber es spielt für die jeweilige Persönlichkeit der | |
beiden eine ganz wichtige Rolle. | |
Was hat das Team vom Theater in Brno am Briefwechsel dieses | |
deutschsprachigen Dichterpaares interessiert? | |
Es war die traumatisierte Existenz der beiden und die dadurch geprägte | |
Beziehung. Dies hat eine Allgemeingültigkeit. | |
Wie wird denn aus dem Briefwechsel ein Bühnenstück? | |
Die Korrespondenz inspirierte die Dramaturgin Tereza Mareckova, die sie | |
bilderreich für die Bühne verarbeitet hat. | |
Das Stück wird auf Tschechisch gespielt. Das beherrschen in Deutschland nur | |
wenige. Lässt es sich auch ohne Tschechisch-Kenntnisse verstehen? | |
Ja, wir zeigen es mit deutschen Übertiteln und die Schauspieler setzen die | |
Emotionen und das, was gesagt wird, sehr bildhaft um. Auch die | |
Bühnengestaltung und die Kostüme sind dabei wichtig. Viele der Texte sind | |
aber auch bekannt. So wird das Stück nachvollziehbar. Das Publikum kann | |
sich auf die optische Umsetzung freuen. | |
Worauf zum Beispiel? | |
Das zu erzählen, wäre jetzt so ein bisschen wie Ballett im Radio: | |
„Herzzeit“ stellt das Intime einer Beziehung dar. Die beiden bekannten | |
Menschen, wirklich verletzliche und verletzte Menschen, werden in dieser | |
menschlichen Dimension gezeigt. Was für mich bedeutend ist, dass dieses | |
Theaterstück auch klar macht, wie diese zwei Menschen – Celan hat sich das | |
Leben genommen, Ingeborg Bachmann ist unter ungeklärten Umständen gestorben | |
– an der deutschen Geschichte, aber auch an ihrer Rolle innerhalb der | |
deutschsprachigen Literatur gelitten haben und daran schließlich zerbrochen | |
sind. | |
10 Apr 2024 | |
## AUTOREN | |
Lilli Uhrmacher | |
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