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# taz.de -- berliner szenen: Die verlorene Mary
Am Sonntagabend ließ ich mit drei Freunden das Wochenende ganz gediegen in
einer Alt-Berliner Eckkneipe am Moritzplatz ausklingen. Wir bestellten uns
Schultheiss vom Fass. Als die Kellnerin die Gläser auf unseren Tisch
abstellte, achtete sie penibel darauf, dass das Logo, dieser
mittelalterlich aussehende Typ, der einen Bierhumpen in der Hand hält, den
Betrachter, in diesem Fall den Trinker oder die Trinkerin, anschaut. Wir
diskutierten gerade, wie diese Glasform, in der gewöhnlich Schultheiss
ausgeschenkt wird, heißt – ich plädierte für Kugelglas, ein Freund war sich
sehr sicher, dass die bauchige Form als Tulpe bezeichnet wird, woraufhin
die eine Freundin mit ihrer Hand eine Tulpenform nachformte, die wirklich
nichts mit dem Schultheiss-Glas zu tun hatte, als ich von hinten angetippt
wurde.
Eine Frau fragte mich auf Englisch, ob ich ihr etwas übersetzen könnte,
eine mikroskopische Gebrauchsanweisung hin. Darauf stand irgendwas mit
dreimal kurz ziehen und dann langsam ausatmen. Ich übersetzte ihr den
Zettel und sie nahm ein kleines rotes Fläschchen in die Hand. Ich las
„Bloody Mary“, den es am Morgen schon bei einem ausufernden Brunch gegeben
hatte, und wunderte mich über diesen Kurzen im Fläschchen, an dem man
dreimal hintereinander ziehen musste, um an diese Mische aus Wodka,
Tomatensaft und Tabasco zu kommen. Die Frau zog daraufhin an dem Bloody
Mary, aber es tat sich nichts. Warum trank sie nicht einfach, fragte ich
mich, als sie plötzlich zu Rauch gewordenen Bloody Mary auspustete. Erst
jetzt schnallte ich es: Auf dem Fläschchen stand nicht Bloody Mary sondern
„Lost Mary“ und es war kein Alkohol, sondern eine Einweg-E-Zigarette. Gut,
dass dieses trinkreiche Wochenende nun eine Ende hat, dachte ich und trank
den letzten Schluck vom Schulti. Eva Müller-Foell
28 Mar 2024
## AUTOREN
Eva Müller-Foell
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