| # taz.de -- das wird: „In Deutschland nehme ich Urlaub, um zu feiern“ | |
| > Wenn sichtbares jüdisches Leben einen Schock bedeutet: Dana Vowinckel und | |
| > ihr deutsch-israelischer Coming-of-age-Roman | |
| Interview Luna Harms | |
| taz: Dana Vowinckel, wovon handelt „Gewässer im Ziplock“? | |
| Dana Vowinckel: Von einer jüdischen Familie, die das Leben auseinander- und | |
| wieder zusammentreibt. Der Roman ist aus zwei Perspektiven erzählt: Avi ist | |
| Kantor in seiner jüdischen Gemeinde in Berlin und Israeli. Vor 15 Jahren | |
| kam er nach Deutschland und lebt seitdem in Berlin mit seiner 15-jährigen | |
| Tochter Margarita. Sie reist am Anfang des Buches vom Urlaub bei ihren | |
| Großeltern in Chicago zur Mutter nach Israel, wo beide sich nach Jahren | |
| ohne Kontakt neu kennenlernen. Vielleicht ist eine zentrale Frage des | |
| Romans, warum diese Mutter, Marsha, die Familie vor 13 Jahren verlassen | |
| hat. | |
| Beschreiben Sie den modernen jüdischen Menschen? | |
| In diesem Fall eher das Leben einer modernen Berlinerin. Beim Schreiben | |
| ging es viel um das schnelle Erwachsenwerden in Berlin und um „erwachsene“ | |
| Erfahrungen wie Alkohol, Sex und Alleinreisen. Was bedeutet auch die | |
| jüdische Identität, wobei die für Margarita eher zweitrangig ist: Ihr | |
| eigener Körper steht eher im Mittelpunkt, für sie ist das Jüdischsein eher | |
| etwas Beiläufiges – bis zu dem Punkt, an dem es ihr weggenommen werden | |
| soll. | |
| Gibt es Parallelen zwischen der Hauptfigur Margarita und Ihnen selbst? | |
| Man denkt das vermutlich schnell, wir sind beides jüdische Frauen, aber das | |
| war’s eigentlich auch an Gemeinsamkeiten. Ich war auf einer nicht-jüdischen | |
| Schule in Berlin, Margarita ist auf der jüdischen Oberschule, meine Eltern | |
| haben ganz andere Hintergründe, ich bin um einiges älter als Margarita. | |
| Prägend in dem Buch ist die erstmalige Reise nach Israel. Wie war es für | |
| Sie selbst, als sie das erste Mal dort waren? | |
| Ich war das erste Mal mit meiner Mutter in Israel. Das war schon auch ein | |
| Schock, Religiosität und Feste, die in Deutschland hinter verschlossenen | |
| Türen stattfinden, draußen auf der Straße zu erleben. Israel ist auch ein | |
| sehr komplizierter Ort, ich möchte es nicht darstellen, als wäre es „da“ | |
| einfacher. Aber es ist auch der einzige Ort auf der Welt mit gesetzlichen | |
| jüdischen Feiertagen – in Deutschland nehme ich Urlaub, um Jom Kippur | |
| feiern zu können. | |
| Hat der 7. Oktober etwas verändert? | |
| Es gibt eigentlich kaum einen Aspekt, der sich nicht verändert hat. Ein | |
| allgemeines Sicherheitsgefühl ist verloren gegangen. Auch wenn dieses | |
| Gefühl nie groß war –wie auch in Deutschland nach der Schoah und den vielen | |
| Fällen rechtsextremer Gewalt? Es gibt in jedem gesellschaftlichen Milieu | |
| Antisemitismus, von rechtsextrem bis linksextrem, von religiös bis | |
| unreligiös – die Liste der Gruppen, die sich auf Antisemitismus einigen | |
| können, ist lang. Dafür ist keine Bevölkerungsgruppe konkret | |
| verantwortlich, sondern eben alle, die sich als Teil der Gesellschaft | |
| sehen. | |
| Auch Ihre sozusagen eigene Gruppe? | |
| Was ich beobachten kann, weil ich ein Teil des Kulturbetriebs bin, ist, | |
| dass eine Form anti-intellektueller Realitätsverweigerung in den Künsten im | |
| Moment hoch im Kurs ist in Deutschland, auch in den feministischen Künsten, | |
| die die sexualisierte Gewalt gegen Frauen beim Angriff der Hamas auf Israel | |
| leugnen. Man kann und sollte das Vorgehen der israelischen Regierung | |
| kritisieren, aber mit dieser Kritik schwächt man auch die eigenen | |
| Argumente, wenn es wieder nur um diese eine rechte Regierung geht. | |
| Gleichzeitig einigt sich die Mehrheitsgesellschaft auf die immer gleiche | |
| rassistische Strategie: mit dem Finger von sich weg zeigen und unter dem | |
| Deckmantel falscher Solidarität Minderheiten gegeneinander ausspielen. | |
| 4 Mar 2024 | |
| ## AUTOREN | |
| Luna Harms | |
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