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# taz.de -- berliner szenen: Alte Freunde, frische Paare
Für einen Februarabend war es ungewöhnlich warm. Die Restaurants und Bars
in der Akazienstraße hatten Tische rausgestellt. Und obwohl es regnete,
drängelten sich viele Leute unter den Markisen, rauchend und eine Biertulpe
in der Hand oder einfach nur gut gelaunt. Ein junges Publikum, fast
sommerlich gekleidet, Westen über aufgeknöpften Hemden, dünne Mäntel über
kurzen Röcken. Ich vernahm Englisch und Italienisch, auch einen
skandinavischen Zungenschlag. Dachte für einen Augenblick, ich sei im
falschen Viertel: um elf hier noch so viel los?
Das nördliche Ende der Akazienstraße, das früher von Copyshops,
Esoterikläden und Strumpfboutiquen dominiert wurde, kam mir auf einmal vor
wie die Düsseldorfer Altstadt. Feierwütige an Cocktailtischchen. Frische
Paare, lachend, übereinander herfallend in den Hauseingängen. Alte Freunde,
die sich unter dem Vordach eines Imbisscontainers zuprosteten. Doch im
Rheinland war die Fastenzeit schon längst angebrochen, Aschekreuze auf die
Stirn gestreut. In Berlin begann gerade der Karneval.
Ich blickte in all die fröhlichen Gesichter. Keine Spur von den politischen
Verwerfungen der Zeit. So muss es im Museum sein, dachte ich, wenn man es
ganz für sich hat. Man mietet es für ein Dinner, umgeben von den barocken
Tableaus niederländischer Meister oder einer beeindruckenden Kollektion von
Impressionisten, und kann alles anderes, etwa die Leute, die sonst den
Blick auf die Bilder versperren, ausblenden.
So erschien mir das Herz von Schöneberg auf einmal leer von seinen
Ureinwohnern, stattdessen bevölkert von einer Horde von
Vergnügungssüchtigen, die aber, seien wir ehrlich, viel besser aussahen.
Über dem Kleistpark kreiste immer noch ein großer Schwarm Stare, der seit
Tagen im Viertel viele Fragen aufwarf. Timo Berger
26 Feb 2024
## AUTOREN
Timo Berger
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