Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- was wir noch zu sagen hätten #4: Was denken deine Eltern eigentlic…
„Das war doch bestimmt krass für deine Eltern, oder?“ Ich bin mit ein paar
alten Schulfreundinnen in einem Café verabredet. Etwas zu spät stoße ich
dazu und habe noch nicht mal meine beschlagene Brille freirubbeln können.
Die Frage ist an mich gerichtet. Doch was meint die Freundin denn? Auf
meine Nachfrage sagt sie: „Na, du hast doch jetzt eine Freundin, oder?“ Ich
bin komplett überrumpelt. Dem Rest des Gesprächs höre ich nicht mehr
richtig zu. In mir brodelt es. Ich bin sauer – so richtig sauer.
Sauer, dass diese „Freundin“ nicht erst mal fragt, wie es mir geht; und
nach Jahren der Funkstille denkt, sie hätte Anrecht auf eine solch intime
Frage. Sauer, dass sie ihr eigenes Weltbild auf meine Eltern projiziert. Am
meisten frustriert mich, dass ihre Frage nicht aus einer ehrlichen,
vielleicht unbeholfenen Neugier stammt, sondern aus purer Sensationslust.
Ich bin aber mit diesem Frust nicht allein. Das fällt mir bei meinen
Recherchen zum diesjährigen taz lab auf: Queere Menschen aus Osteuropa und
aus der post-ost-migrantischen Community berichten, dass die Frage nach der
Akzeptanz der Eltern Standard sei. Dabei geht es nicht um Sorge oder
Mitgefühl der Fragenden. Es geht um die Bestätigung ihrer Vorurteile.
Vorurteile, dass der sogenannte „Osten“ nicht offen für Diversität sei.
Dieses eingefahrene Denken ist in den meiste Fällen nicht nur falsch,
sondern auch ignorant. Es ist ignorant gegenüber den Lebensrealitäten
queerer Menschen und ignoriert die Verantwortung, das eigene Denken zu
hinterfragen.
Deswegen fragt lieber, wie es uns geht. Fragt, ob wir glücklich sind, ob
wir sicher sind – und ja, auch, ob wir schlechte Erfahrungen machen. Über
all das zu reden, ist wichtig. Aber unterstellt unseren Eltern nicht eine
Haltung, die ihr selbst nicht reflektiert. Malin Gehring
Hier schreiben unsere Autor*innen wöchentlich über den Osten. Oder was?
10 Feb 2024
## AUTOREN
Malin Gehring
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.