# taz.de -- die ortsbegehung: Seeleute aller Länder, kommt in dieses Haus | |
> Das Hotel der Seemannsmission in Hamburg-Altona ist eine Anlaufstelle für | |
> alle, die mit den Containerschiffen in den Hafen kommen. Hier können sie | |
> über ihre Probleme reden | |
Bild: Wo Kirche und Seefahrt zusammenkommen | |
Aus Hamburg Luna Harms | |
Ein eiskalter Wind weht an der Elbe in Hamburg-Altona. Hier, nur wenige | |
Schritte vom Fischmarkt entfernt, findet sich ein oft übersehener Ort, der | |
doch für viele der [1][im Hafen ankommenden Seeleute] eine besondere | |
Bedeutung hat: das Seemannshotel in der Großen Elbstraße. Das rote | |
denkmalgeschützte Backsteinhaus wird eingerahmt von einer Kneipe und einem | |
Bürogebäude. Rechts neben dem Eingang ist an der Wand ein großes eisernes | |
Kruzifix angebracht. Zwei blaue Flaggen mit einem Kreuzanker signalisieren | |
schon von Weitem, dass wir uns hier an einer Schnittstelle zwischen Kirche | |
und Seefahrt befinden. | |
Der Eingangsbereich ist mit hellem Holz verkleidet, ein bisschen wie eine | |
Jugendherberge, und strahlt eine ruhige Nüchternheit aus. Der Boden besteht | |
aus schlichten Dielen und dunkelroten Keramikfliesen. Hier drinnen deutet | |
nur noch ein kleines Schild mit einem Kreuz auf den kirchlichen Bezug hin, | |
darüber hängen alte Schiffsglocken. | |
Ein großer bärtiger Mann, der mit seinen Tattoos und der Mütze aussieht wie | |
das Klischee eines Seebären, kommt herein. Er ist der Diakon des Hauses, | |
das von der Seemannsmission Altona e. V. betrieben wird. Er heißt [2][Fiete | |
Sturm]. | |
Die Idee sei, erzählt er, Menschen, die zur See fahren, einen Schlafplatz | |
zu bieten und auf ihre Bedürfnisse einzugehen, ob sie nun schnelles | |
Internet, eine SIM-Karte oder besonderes Essen brauchen oder einfach nur | |
einen Rückzugsort, an dem man ihnen [3][mit Verständnis begegnet]. | |
Vom Eingangsbereich aus öffnet sich eine Tür in ein großes helles | |
Treppenhaus, das hoch zu den Schlafräumen führt, die jeweils für zwei bis | |
drei Personen eingerichtet sind. Die Zimmer mit Blick in den Garten sind | |
bei den Seefahrenden beliebt. Man kann aber auch ein Zimmer mit Blick auf | |
die Elbe bekommen. Das Hotel ist offen für alle, auch Touristen können hier | |
Gäste sein. | |
## Dolmetscher gefragt | |
Im Hotel der Seemannsmission Altona treffen viele Nationen aufeinander, | |
Dolmetscher sind also gefragt. Der Mann an der Rezeption zum Beispiel kommt | |
von den Philippinen wie viele der Gäste auch, die hier oft nur für ein paar | |
Tage absteigen. Ein anderer, der hier schon seit Jahren arbeitet, ist | |
Syrer. | |
Die Gäste kommen von den großen Containerschiffen, die im Hamburger Hafen | |
liegen. In der industriellen Schifffahrt sind die meisten Seeleute Männer, | |
die für mehrere Monate weit weg von zu Hause unter Deck arbeiten. | |
Seefahrerinnen findet man auf Kreuzfahrtschiffen zwar immer öfter, doch | |
auch dort sind sie noch eine Minderheit und arbeiten meist in der | |
Gastronomie, im Housekeeping oder im Entertainment. Auch sie sind Gästinnen | |
der Mission. | |
Wenn die Gäste Probleme an Bord haben, können ihnen die Mitarbeiter der | |
Seemannsmission helfen. Sie nehmen Kontakt zu den Reedereien auf und zu den | |
internationalen Gewerkschaften [4][und statten den Schiffen Besuche ab]. | |
Sie haben das Recht, an Bord zu gehen. Oft wollen die Seeleute, wenn sie | |
vielleicht auf einem italienischen Schiff dauernd Pasta vorgesetzt | |
bekommen, was ihnen als Filipinos nicht schmeckt, nicht ihre Namen nennen. | |
Dann gehen die Mitarbeiter der Seemannsmission hin und sagen, ihnen sei da | |
was zu Ohren gekommen, ob man da nichts machen könne. Manchmal hilft das. | |
Während der Wochen auf See leiden viele der Männer, die auf den | |
Containerschiffen arbeiten, an Einsamkeit, erzählen die Mitarbeiter der | |
Seemannsmission. Wenn sie ins Hotel der Seemannsmission Altona kommen, | |
bleiben sie darum nicht so gern auf ihren Zimmern sitzen. Viele gehen in | |
die Aufenthaltsräume, in den Speisesaal oder in den Kneipenkeller. Am | |
Tischkicker und am Billardtisch ist Betrieb, es herrscht eine ausgelassene | |
Stimmung. | |
## Flauschiger Icebreaker | |
Ansonsten aber ist es an diesem Tag in dem Haus leise und ruhig. In dem | |
schicken, renovierten Speisesaal kann man bei einem Kaffee die | |
vorbeiziehenden Schiffe beobachten. Die einzige Unruhe verbreitet der | |
kleine Hund des Diakons. Fast allen im Raum entlockt der Hund ein | |
friedliches Lächeln. Mit dem kleinen flauschigen Icebreaker kommt der | |
Diakon an jeden und jede heran, der oder die gerne reden möchte. | |
Dabei will, wer im Hafen ankommt und in das Hotel der Seemannsmission | |
kommt, gar nicht unbedingt gleich über seine Sorgen und Ängste reden. Eine | |
belanglose Unterhaltung ist viel eher das, was die Seeleute brauchen. Die | |
einfache Frage „Wie heißt du?“ etwa hat schon eine wohltuende Wirkung, denn | |
wer zuvor monatelang mit seiner Funktion als „Kapitän“, „Bootsmann“ od… | |
„Technischer Offizier“ angesprochen wurde, kann jetzt einfach seinen Namen | |
nennen. Und hat so die Chance, wenigstens ein bisschen an Land anzukommen. | |
3 Feb 2024 | |
## LINKS | |
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[2] https://www.hamburg.de/stadtleben/12162478/seemannsmission/ | |
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## AUTOREN | |
Luna Harms | |
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