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# taz.de -- das wird: „Negative Nachrichten bekommen viele Likes“
> taz-Redakteur Christian Jakob liest aus seinem Buch über Hoffnung
> inmitten multipler Krisen
Interview Luna Harms
taz: Christian Jakob, wie kommen Sie dazu, ein Buch über Hoffnung inmitten
unserer Krisen zu schreiben?
Christian Jakob: Die Verbindung zwischen Krisen und Hoffnung hat 2019
angefangen, für mich interessant zu sein, als ich merkte, dass immer mehr
Fatalismus in der Gesellschaft aufkam. Dass immer mehr Menschen glauben,
man könne gegen die aktuellen Entwicklungen nichts mehr tun, finde ich
problematisch.
Was meinen Sie mit dem Satz: „Je düsterer die Botschaft, desto größer der
Applaus“ ?
Das ist eine von einer ganzen Reihe von Erklärungen der Psychoanalyse,
warum die aktuelle Häufung von Krisen Fatalismus nach sich zieht. Dabei
spielen Medien und vor allem soziale Medien eine Rolle. Dort wird auch ein
unbewusster Wunsch nach Rache entwickelt, durch den ein Kollektiv versucht,
Schuldige zu finden und damit eine paradoxe Entlastung gewinnen. Diese
Schuldigen können Individuen oder auch so etwas wie Konzerne sein – je
eingrenzbarer, desto entlastender. Dies könnte eine Rolle dabei spielen,
warum viele Menschen geradezu obsessiv negative Nachrichten und Geschichten
pushen. Negative Nachrichten bekommen sehr viele Likes, und sie können für
einen Moment eine kollektive Entlastung verschaffen – weil die Schuldigen
benannt werden. Das gilt nicht spezifisch für die Klimakrise sondern ist
in allen Krisen und Konflikten so. Das ist auch nicht per se falsch.
Was ist das Problem dabei?
Zynismus oder eine Flucht in das „Es bringt doch alles gar nichts mehr“
kann nicht die Lösung für echte Probleme sein.
Wie kommt man dann aus der Depression der aktuellen Entwicklungen ohne
Zynismus oder eine unrealistische feel-good Welt?
Der verstärkte Rückzug, von der Nachrichtenmüdigkeit hin zu
Nachrichtenvermeidung ist keine gute Entwicklung. Junge und alte Menschen
sind davon gleich betroffen. Die soziale Mobilisierung ab etwa 2018 zur
Klimakrise ist hingegen ein Beispiel für einen konstruktiven Umgang mit der
Krise, ohne in Ohnmacht zu fallen. Das Gegenteil ist ein Verhalten wie etwa
der Rückzug aus dem Nachrichtenkonsum. Das gilt für einige Teile der
Gesellschaft, sowohl Menschen, die Angst haben und dadurch überfordert
sind, als auch Menschen, die sich die Krise nicht eingestehen wollen,
letztlich weil auch sie überfordert sind. Dazu kommen noch solche, die
schlicht aufgegeben haben und ihre letzte Zeit auf dieser Welt schön
gestalten wollen. So reagieren aber eben nicht alle.
Was ist dann die richtige Reaktion?
Viele stellen sich dem Problem auch völlig rational und akzeptieren, dass
wir uns in einer Krise befinden, mit der wir einen Umgang entwickeln
müssen.
Fehlt uns in diesem Umgang die Resilienz?
Resilienz ist entscheidend. Aber diese aktuelle Qualität der Krisenballung
und wie sich diese in den Medien widerspiegelt ist neu. Früher gab es große
Katastrophen, die Jahrzehnte nachwirkten. Heute sehen wir in den Sozialen
Medien schon fünf Krisen direkt nach dem Aufstehen. Das macht es sehr
schwer, einen gesunden Umgang mit den Nachrichten zu finden.
Haben Sie selber Zukunftsangst?
Nicht nur. Ich habe keine konkrete Vorstellung, von dem was noch kommen
mag. Die Ballung der Krisen wirkt bedrohlich auf mich. Die Vorstellung,
alles würde untergehen, erscheint mir aber sehr unwahrscheinlich.
Lebenschancen und Realitäten in unserer Gesellschaft sind dafür zu
unterschiedlich.
7 Feb 2024
## AUTOREN
Luna Harms
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