# taz.de -- Gerangel um die besten Plätze | |
> Lange gab es in Lübeck nur einen Platzhirsch im Profi-Fußball. Aber nun | |
> bekommt der örtliche VfB Konkurrenz. Der FC Phönix robbt immer näher an | |
> den großen Nachbarn heran | |
Bild: Im Viertelfinale des Landespokals: 1. FC Phönix (hier Carl Leonhard mit … | |
Von Christian Görtzen | |
Früher kamen sie in Scharen zum Stadion des 1. FC Phönix Lübeck, das schon | |
damals „Flugplatz“ genannt wurde, weil es nach dem Ersten Weltkrieg auf dem | |
Gelände des ehemaligen Flugplatzes Karlshof angelegt worden war. Die | |
„Adlerträger“ begeisterten ja auch. Der von angehenden Lehrern gegründete | |
Verein avancierte schnell zur einer großen Nummer im norddeutschen Raum. | |
1927 belegte Phönix hinter Holstein Kiel und dem Hamburger SV den dritten | |
Rang bei der Norddeutschen Meisterschaft. Und auch in den fünfziger und | |
sechziger Jahren spielte der Club erst- oder zweitklassig – auf Augenhöhe | |
mit dem aus einem Polizeisport- und Arbeiterverein hervorgegangenen | |
Nachbarn VfB Lübeck. | |
Das Aufstiegsrundenspiel von Phönix in der Saison 1956/57 gegen Uetersen, | |
eine Kleinstadt im Kreis Pinneberg in Schleswig-Holstein, lockte 9.000 | |
zahlende Zuschauer an. Getoppt wurde das noch im August 1957, als in der | |
Oberliga 12.000 Zuschauer kamen, um das Spiel gegen den HSV zu sehen. Im | |
Schnitt verfolgten damals rund 8.000 Menschen die Heimspiele der | |
„Adlerträger“. | |
Lange vorbei, diese rosigen Zeiten. Heute muss einiges getan werden, um die | |
Leute überhaupt zum „Flugplatz“ zu locken – und das, obwohl Phönix aus … | |
„Asche“ der Siebtklassigkeit wieder emporgestiegen ist. Hinauf bis in die | |
Spitzengruppe der viertklassigen Regionalliga Nord. Und die Aussichten, im | |
Sommer den Sprung in die Dritte Liga zu schaffen und nebenbei den großen | |
Nachbarn VfB Lübeck überholen zu können, der in jener Liga vom Abstieg | |
bedroht ist, stehen nicht schlecht. | |
Der 1. FC Phönix ist sehr darum bemüht, mehr Support für das Team von | |
Trainer Christiano Adigo zu generieren. „Wir haben noch nicht so die | |
Fanbase, aber wir arbeiten daran“, räumte Präsident Thomas Laudi ein. | |
Ein Beispiel dafür: Im November gab es gegen Holstein Kiel II die „Pay What | |
You Want“-Aktion. Die Zuschauer bestimmen den Preis für ihre | |
Eintrittskarte. Es gebe, so hieß es in der Clubmitteilung, „eine nicht zu | |
unterschätzende Anzahl an Fußballfreunden, für welche die regulären | |
Eintrittsgelder finanziell eine größere Herausforderung darstellen – | |
besonders, wenn es darum geht, mit der gesamten Familie einen Stadionbesuch | |
zu realisieren“. | |
875 Leute waren es – immerhin. Vielen im Verein ist noch in Erinnerung, | |
dass es vor einigen Jahren in der Kreisliga gerade einmal 100 Zuschauer pro | |
Spiel waren. | |
Den jetzigen sportlichen Aufschwung wollen die „Adler“ unbedingt nutzen. | |
„Wir haben die Vision, das Bestmögliche zu erreichen“, sagte Sportdirektor | |
Frank Salomon schon im Herbst dem NDR. | |
Laudi schlug im Telefonat mit der taz ebenfalls diese Richtung ein: „Phönix | |
ist eine Gemeinschaft von Menschen, die eine Haltung haben, die mutig | |
sind.“ Das ist gewiss hilfreich angesichts einer großen Herausforderung. | |
Laudi: „Es gibt beim Stadion ,Am Flugplatz‘ einen Sanierungsstau. Gemeinsam | |
mit der Stadt versuchen wir, das hinzubekommen. Es laufen Gespräche.“ | |
Helfen würde, wenn im Mai im Landespokalfinale gegen den SV Todesfelde ein | |
Sieg gelänge. Die Prämie in Höhe von knapp 216.000 Euro für den damit | |
gleichbedeutenden Einzug in die erste DFB-Pokalrunde sowie weitere | |
Einnahmen durch Zulosung eines attraktiven Gegners im Pokal könnte der | |
Verein bestens gebrauchen. | |
So weit gekommen ist der 1. FC Phönix im Landespokal auch dank eines | |
Erfolges im Viertelfinale gegen den VfB Lübeck nach Elfmeterschießen. Und | |
auch im Ligasystem ist Phönix dem großen Nachbarn so nahe gerückt, dass es | |
zu einer Wachablösung an der Trave kommen könnte. Darum gehe es Phönix aber | |
gar nicht, versichert Laudi: „Es ist nicht so, dass wir dem VfB den Abstieg | |
wünschen. Das wäre auch für die Sportstadt Lübeck nicht zuträglich.“ | |
Beim VfB, der am Sonnabend gegen Ulm 1:1 spielte und weiterhin auf einem | |
Abstiegsrang steht, haben sie die Entwicklung des Stadtrivalen natürlich | |
registriert. „Das nimmt man schon wahr“, sagte VfB-Sportvorstand Sebastian | |
Harms. „Die haben sehr gute Arbeit geleistet und stehen in der Regionalliga | |
zu Recht dort oben. Wir machen uns keine Gedanken um eine Vormachtstellung. | |
Wenn sie aufsteigen, dann gönne ich ihnen das.“ | |
Phönix hat zwar sechs Punkte Rückstand auf Hannover 96 II. Die | |
Schleswig-Holsteiner sind aber noch mit drei Partien im Rückstand. Allein: | |
Mit dem Gewinn der Meisterschaft in der Regionalliga wäre es nicht getan. | |
Der Nord-Sieger muss zu zwei Play-off-Spielen um den Drittligaaufstieg | |
gegen den Ersten der Regionalliga Bayern antreten. Das sind derzeit die | |
Würzburger Kickers. | |
Beim VfB hoffen sie darauf, dass der neue Trainer Florian Schnorrenberg den | |
Verein vor einem direkten Wiederabstieg bewahrt. Zu einem solchen war es | |
schon in der Saison 2020/21 gekommen. „Unser Ziel ist es, dass wir das | |
schwere erste Jahr schaffen und uns in der Liga stabilisieren“, sagte | |
Harms. „Bei einem Abstieg würde aber auch nicht von heute auf morgen alles | |
zusammenfallen.“ | |
Oder vielleicht kommt alles so, dass es extrem interessant wird. „Wer | |
sportlich denkt, könnte sich wünschen, dass Lübeck zu einer | |
Drittliga-Hauptstadt wird“, so Salomon. Dazu müsste der VfB in der Liga | |
bleiben und Phönix hinzukommen. Sportlich wären sie dann auf Augenhöhe – so | |
wie früher. | |
5 Feb 2024 | |
## AUTOREN | |
Christian Görtzen | |
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