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# taz.de -- In sich ruhend und sehr innovativ
> Xabi Alonso bleibt gelassen. Daran ändert das 0:0 der von ihm betreuten
> Leverkusener gegen Mönchengladbach nichts. Und Gerüchte, er könne im
> Sommer Nachfolger von Jürgen Klopp in der Premier League werden, auch
> nicht
Bild: Mann der klaren Ansagen: Leverkusen-Trainer Xabi Alonso beim 0:0 gegen M�…
Aus Leverkusen Daniel Theweleit
Wenn Fußballer in der einen Sprache denken, zugleich jedoch Überlegungen in
einer anderen Sprache zum Ausdruck bringen möchten, entstehen häufig
interessante Botschaften. Unvergessen sind die legendären „Flasche leer“-
und „Ich habe fertig“-Formulierungen des Italieners Giovanni Trapattoni.
Und einer seiner Nachfolger beim FC Bayern München, Pep Guardiola,
sinnierte gern über die „Umschaltung“, wenn er das in der Bundesliga
vorherrschende Spielsystem beschreiben wollte. Solche Sprachmixe bereichern
die hiesige Fußballsprache nachhaltig.
In der laufenden Saison sitzt bei Bayer 04 Leverkusen mit Xabi Alonso nun
ein besonders versierter Sprachmischer auf der Trainerbank. In der Kabine
wird viel auf Spanisch und Englisch kommuniziert, öffentlich äußert Alsono
sich aber auch gern auf Deutsch. Nicht selten streut er dabei fremde
Begriffe in seine Sätze ein, wie zum Beispiel nach dem 0:0 gegen Borussia
Mönchengladbach am Samstagabend. „Wir haben genug gemacht, um drei Punkte
zu gewinnen“, sagte der frühere Weltklasssespieler, aber „der letzte
Torschuss war nicht ‚clinical‘ genug.“
„Clinical“ ist ein Begriff, der tief verwurzelt ist in der internationalen
Fußballsprache, ein Wörtchen für das es keine exakte Übersetzung ins
Deutsche gibt. „Nüchtern“, „steril“ oder auch „klar“ sind passende
Entsprechungen, allerdings suggeriert „clinical“ auch, dass es hier um
irgendein Detail geht, das mit dem Gesundheitszustand des
Mannschaftsorganismus zu tun hat.
Damit hatte Alonso eigentlich alles gesagt zu dieser Bundesligapartie, in
der Bayer Leverkusen wieder einmal mitreißend schön Fußball gespielt hatte,
aber erstmals in dieser Saison ohne eigenes Tor geblieben war. Nach
Zählungen des Fernsehsenders Sky war sogar ein unglaublicher Rekord
entstanden: 69 Ballaktionen hatte Bayer im gegnerischen Strafraum, einen
derart hohen Wert hat es seit der Datenerfassung noch nie in einem
Bundesligaspiel gegeben.
Aber dennoch krankt es im Spiel des Bundesliga-Herbstmeisters Bayer
Leverkusen derzeit an der Effizienz. Schon in den ersten beiden Partien des
Jahres, in denen der Tabellenführer jeweils in der Nachspielzeit Siegtore
erzielt hatte, fiel es den Offensivspielern schwer, die Dominanz in Tore zu
verwandeln. Zwei der vier Leverkusener Treffer, die im Jahr 2024 erzielt
wurden, schossen Innenverteidiger nach Eckbällen, die beiden anderen
gelangen dem Defensivstrategen Exequiel Palacios und dem Flügelspieler
Nathan Tella. Patrik Schick, Florian Wirtz und Jonas Hofmann agieren seit
der Winterpause hingegen glücklos im Torabschluss.
„Der letzte Punch hat heute gefehlt“, sagte Hofmann, „die letzte
Entschlossenheit, die letzte Gier, das Tor zu machen.“ Und dennoch ruhen
die Leverkusener derzeit so sehr in sich, dass sie sich von einem
derartigen Rückschlag nicht aus der Ruhe bringen lassen. Weder auf dem
Rasen noch daneben. „Wir sind nie kopflos geworden, es sollte einfach nicht
sein“, sagte Nadiem Amiri.
Selbst in der Hektik der Schlussminuten gegen den niederrheinischen Rivalen
aus Mönchengladbach spielte die Mannschaft von Xabi Alsono klar und
strukturiert. Vor allem jedoch bricht in Leverkusen nicht jene Panik aus,
die während der vergangenen Jahre in vergleichbaren Momenten etwa bei
Borussia Dortmund oft an die Oberfläche drang.
„That’s part of the game. Weitermachen“, erklärte der Mittelfeldspieler
Granit Xhaka in seiner Variante des Sprachmixes. Der Schweizer merkte
zudem an: „Wer glaubt, dass wir in der Rückrunde 17 Spiele gewinnen, liegt
meiner Meinung nach falsch. So eine Saison ist ein Marathonlauf.“
Auch Trainer Xabi Alonso bediente sich ein weiteres Mal am internationalen
Fußballervokabular, als er gefragt wurde, ob er angesichts des näher
rückenden FC Bayern unruhig werde: „Es gibt noch 15 Spiele. Wenn ich jetzt
nervös bin, dann bin ich im Mai kaputt. Das ist nicht meine Idee. Also bin
ich ‚tranquil‘.“
Selbst die neue vom angekündigten Rücktritt Jürgen Klopps beim Liverpool FC
zum Saisonende ausgelöste Störkraft aus England scheint niemanden aus der
Bahn zu werfen in Leverkusen. Alonso ist jetzt einer der Hauptkandidaten
für Klopps Nachfolge in Liverpool und erklärte lässig: „Es gibt immer eine
Zeit, aber ich bin hier sehr glücklich und sehr fokussiert.“
Ähnlich sieht es Fernando Carro, „Gerüchte gehören dazu“, sagte der
Bayer-Geschäftsführer und sogar für ihr Stürmerproblem präsentierten die
Leverkusener mit dem Abpfiff am Samstag eine passende Antwort. Der
Tabellenführer der Bundesliga hat bis zum Saisonende den 31 Jahre alten
ehemaligen spanischen Nationalspieler Borjas Iglesias von Betis Sevilla
ausgeliehen. Einen robusten Zentrumsstürmer, dessen Torabschlüsse Alonso
vielleicht sehr bald schon mit dem Wörtchen „clinical“ beschreiben wird.
29 Jan 2024
## AUTOREN
Daniel Theweleit
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