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# taz.de -- Diesel, Blut und Boden
> Rechtsextreme drängen nicht erst heute in landwirtschaftliche Proteste.
> Sie sind dort schon lange präsent – und in der Szene gut vernetzt
Von Andreas Speit und Andrea Röpke
Ein Trecker, eine Botschaft: „Zu viel ist zu viel“ steht an der
Landmaschine. Vor dem Fahrzeug eröffnete Birgit B. in Kiel am vergangenen
Samstag in gelber Warnweste den „Bauernprotest“. In der
schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt organisierten die selbsternannten
„Gelbwesten“ die Bauernkundgebung auf dem Exerzierplatz. Im Norden wirken
viele Netzwerke an den flächendeckenden Protesten mit, denen es nicht mehr
nur um Subventionskürzungen geht.
Bereits vor dem Aktionstag haben die „Geldwesten“ sich mit einschlägigen
Slogans positioniert: „Die Ampel tut viel … Nur nichts für Deutschland“.…
Kiel führt B. weiter aus, die Regierung habe auch „etwas Gutes. Wir kümmern
uns um Unisex-Toiletten in Nigeria. Mit 4,6 Millionen Euro kümmern wir uns
auch um grüne Kühlschränke in Kolumbien“ und so weiter. Die Rede kommt an,
wird von Gelächter begleitet.
Der nachfolgende Redner Jann-Harro Petersen bleibt näher beim Thema,
fordert die „Zerschlagung der Monopole im Handel der
Lebensmittelindustrie“. Der Landwirt, der im Landesvorstand von „Land
schafft Verbindung“ sitzt, trat schon mehrfach mit den „Kieler Gelbwesten“
auf: Überreste der lokalen Corona-Leugnungs-Szene. 2023 hatte sie den
AfD-Bundestagsabgeordneten Gereon Bollmann eingeladen. Auf der Website
finden sich auch eindeutige Forderungen gegen „Frühsexualisierung“,
„ideologiegetriebenen Klimawahn“, eine „gleichgeschaltete“ Medienlandsc…
sowie für die Strafverfolgung „eidbrüchiger“ Politiker*innen.
Seit Jahren mobilisiert die recht Telegram-Gruppe „Landvolk schafft
Verbindung“ an der Küste mit dem Symbol eines silbernen Pflugs mit rotem
Schwert. Bereits in den 1920er Jahren organisierte die Landvolkbewegung
unter dieser Fahne einen Steuerboykott und verübte Sprengstoffanschläge auf
Landrats- und Finanzämter sowie auf Privathäuser von Regierungsbeamten. Sie
wollten das „jüdisch-parlamentarische System“ vernichten.
Eine zentrale Figur der Telegramm-Gruppe ist Jann-Henning Dircks aus
Norderfriedrichskoog. Bei „Landvolk schafft Verbindung“ heißt es, es sei
Dircks „seine Demo gegen Robert Habeck auf der Fähre“ gewesen (siehe „Die
Wut der Bauern“, S. 48). Gemeint sind die Protestierer mit Galgenplakaten
und Raketen am Fähranleger in Schüttsiel. In einem Video erzählt Dircks,
dass sie früh den Hinweis bekommen hätten, wann Habeck von der Hallig Hooge
ankommen würde. Etwa zwei Stunden vorher mobilisierten die rechten
Telegram-Gruppen „Verbraucher & Bauern geeint“ und „Freie
Schleswig-Holsteiner“ mit dem Aufruf, Habeck wünsche sich einen
„Bürgerdialog“.
Es ist nicht Dircks erste Aktion. In 2020 hatte er mit mehrere hundert
Mitstreiter*innen mit Treckern die Flagge der Landvolk-Bewegung auf
einer Koppel bei Oldenswort nachgebildet. Als 2020 Tierschützer*innen
einen Schlachthof in Kellinghusen blockierten, rief Dircks auf: „Nehmt
Vorschlaghammer, Akkuflex und Bolzenschneider mit.“
Der erste Hinweis auf Habecks Urlaubsort soll laut Die Zeit einer
zufälligen Begegnung geschuldet sein. Auf dem Weg zur Hallig habe Tanja B.
den Kontakt zu Habeck gesucht, die für die AfD zur Kreiswahl in
Nordfriesland kandidierte. Informationen zu Habecks Reise soll B.s Partner,
der Unternehmer Holger T. verbreitet haben. Seine Fahrzeuge sind öfter bei
den Protesten zu sehen. Der innenpolitische Sprecher der grünen
Landtagsfraktion, Jan Kürschner, sagt: „Wenn es stimmt, dass Leute aus der
AfD den unsäglichen Vorfall in Schlüttsiel mitausgelöst haben, wäre das ein
weiteres Zeichen dafür, dass es die AfD aktiv unternimmt,
aggressiv-kämpferisch die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu
beseitigen.“
13 Jan 2024
## AUTOREN
Andreas Speit
Andrea Röpke
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