# taz.de -- orte des wissens: Auf der Spur der Viren | |
> Das interdisziplinäre Zentrum für strukturelle Systembiologie in Hamburg | |
> forscht auch an Corona-Erregern | |
Es ist ein moderner Glasbau auf dem Uni-Campus HH-Bahrenfeld. Durch die | |
Seitenfenster sieht man Forschungslabore. Ein Schild vor dem Eingang | |
verrät: In diesem Gebäude ist das Zentrum für strukturelle Systembiologie | |
oder Center for Structural Systems Biology (kurz: CSSB) untergebracht. | |
Hier wird zu Grundlagen von Infektionskrankheiten geforscht, und zwar im | |
Verbund, denn das Zentrum setzt sich aus der Zusammenarbeit von neun | |
Forschungspartnern zusammen, darunter die Universität Hamburg, das | |
Leibniz-Institut für Virologie und die Medizinische Hochschule Hannover. Im | |
Juni 2017 war das unter der Schirmherrschaft des Deutschen | |
Elektronen-Synchroton stehende Gebäude fertig, und mittlerweile arbeiten | |
knapp 200 Menschen in 14 Arbeitsgruppen am CSSB. | |
Eine eigenständige juristische Einheit ist das Institut jedoch nicht. Es | |
ergibt sich aus der Kooperation der Partner, die für Kosten aufkommen und | |
den täglichen Betrieb organisieren. | |
Wo liegen die Vorteile dieses Modells? Instituts-Sprecherin Melissa Prass | |
sagt: „Man hat eine biologische Frage und hat hier die vielfache | |
Möglichkeit, sie zu beantworten.“ Kay Grünewald, wissenschaftlicher Leiter | |
des CSSB und Leiter der Arbeitsgruppe Strukturelle Zellbiologie der Viren, | |
nennt es „ein kollaboratives Gebäude“. Forschende aus verschiedenen | |
Disziplinen treffen etwa im Foyer im Erdgeschoss oder einer der Teeküchen | |
in jeder Etage aufeinander. Sie tauschen sich aus, geben sich Tipps zu | |
Methoden für die Untersuchung von Noro-, Herpes oder Coronaviren, Bakterien | |
in Form von Krankenhauskeimen und Parasiten wie etwa dem Malaria-Erreger | |
Plasmodium. | |
Einer von ihnen ist Virenforscher Grünewald, dessen Mitarbeiterin mit einem | |
Kollegen aus einem anderen Bereich die Strukturen des parasitären | |
Malaria-Erregers untersucht hat und meint: „Da kamen auch zellbiologisch | |
faszinierende Sachen raus, die keiner geahnt hatte.“ | |
Ein weiterer Pluspunkt im CSSB ist aus Sicht der Beteiligten die moderne | |
Forschungsinfrastruktur. Dazu zählen Möglichkeiten der Proteinproduktion | |
und -charakterisierung, Lichtmikroskopie oder die | |
Kryo-Elektronenmikroskopie. | |
Auch die künstliche Intelligenz kommt am CSSB zum Einsatz und kann etwa bei | |
der Bildanalyse helfen. „Es ist schon „ein alltägliches Tool“, sagt Holg… | |
Sondermann, Leiter der Gruppe Strukturelle Mikrobiologie. Im nächsten | |
Schritt soll ein Labor mit Stufe 3, der zweithöchsten Sicherheitsstufe | |
etabliert werden. Das ermöglicht laut Sondermann Verfahren mit lebendigen | |
Erregern, die man „nicht so gut kennt oder wo eine Therapie schwierig ist | |
im Moment“. | |
Ein solcher Erreger ist SARS-CoV-2. Zu Pandemiezeiten wurde die Forschung | |
teils umgestellt. Es haben sich neue Arbeitsgruppen gebildet, die Frage | |
war: „Was können wir beitragen?“ In über zehn Projekten wurden dann die | |
molekularen Mechanismen des Virus sowie Möglichkeiten der Behandlung einer | |
Covid-19-Erkrankung untersucht. | |
Neben aktuellen Kooperationen mit über 60 Forschungsinstituten in mehr als | |
16 Ländern gibt es ein sogenanntes „research hotel“, das jungen Forschenden | |
die Möglichkeit gibt, bis zu fünf Jahre mit den Technologien zu arbeiten | |
und das Arbeitsumfeld kennenzulernen. „Das ist der eigentliche Mehrwert“, | |
sagt Grünewald. Ziel sei, dem Nachwuchs in Bezug auf Methoden und auf | |
biologische Systeme bestmögliches Wissen mitzugeben, sagt Sondermann. | |
Folgerichtig betreut das Zentrum Bachelor-, Master- und Doktorarbeiten | |
sowie die Ausbildung zur biologietechnischen Assistenz. Der Bedarf dürfte | |
auch in Zukunft da sein, denn antibiotikaresistente Bakterien sind laut | |
Sondermann „leider im Aufschwung“. | |
Sven Bleilefens | |
8 Jan 2024 | |
## AUTOREN | |
Sven Bleilefens | |
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