| # taz.de -- das wird: „Tanz ist eine Kunst, die davon lebt, dass man sich anf… | |
| > Am Braunschweiger LOT-Theater zeigen sechs Choreograf*innen ihre | |
| > Arbeiten und widmen wichtigen Themen Zeit im Tanz | |
| Interview Hellen Kachler | |
| taz: Frau Theis, was steckt hinter „Tanzzeit“? | |
| Stephanie Theis: Oft entstehen Choreografien für Wettbewerbe mit viel Mühe, | |
| aber verschwinden danach in der Schublade. Außerdem gibt es viele | |
| Tänzer*innen, die zwar gerne choreografieren, aber neben dem Tanzen | |
| nicht wirklich dazu kommen. „Tanzzeit“ möchte solchen Arbeiten eine Bühne | |
| geben.. | |
| Wer sind die Teilnehmer*innen? | |
| Theis: Anfangs galt die Ausschreibung nur für Niedersachsen, aber | |
| inzwischen bilden wir den ganzen Norden ab. Bei „Tanzzeit“ geht es darum, | |
| Vielfalt abzubilden. Woher die Teilnehmer*innen kommen, wie lange sie | |
| schon tanzen, ob sie freiberuflich oder im Ensemble tanzen, sind Aspekte, | |
| die eine Prägung in der Tanzsprache und in der Themenwahl hinterlassen. | |
| Deshalb kommt auch die Hälfte der Teilnehmer*innen aus dem | |
| freischaffenden Bereich und die andere vom Theater. | |
| Frau Dirks, gibt es einen thematischen Fokus? | |
| Sara Dirks: Nein, die Themen sind für die Bewerbung offen. Aber bei der | |
| Auswahl schauen wir, welche Choreografien gut zusammenpassen. | |
| Welche sind das aktuell? | |
| Dirks: Prinzipiell ist es für zeitgenössischen Tanz typisch, | |
| gesellschaftlich relevante Themen aufzugreifen. | |
| Theis: Seit der Pandemie spielen Themen wie Distanz, Einsamkeit, | |
| Kontaktlosigkeit und allgemein Körperlichkeit eine große Rolle. Die | |
| Pandemie hat für alle tiefgreifende Veränderungen bedeutet. Gerade Tanz ist | |
| eine körperliche Kunst, die davon lebt, dass man sich anfasst, den Körper | |
| spürt und vor Publikum auftritt, das auf das Aufgeführte reagiert. All das | |
| war in der Pandemie nicht möglich. Dieses Defizit wird auch tänzerisch | |
| aufgearbeitet. | |
| Wie kann darstellende Kunst das leisten? | |
| Theis: Theater ist ein sozialer Raum. Menschen können dort sehr kontrovers | |
| diskutieren, ohne sich direkt auf die Rübe zu schlagen. Auf der Bühne darf | |
| alles sein und oft gibt es breite Spektren, die ausgehalten werden. Das | |
| gibt den Zuschauer*innen die Möglichkeit, eine Meinungsvielfalt erst mal | |
| nur wahrzunehmen. Spannung gehört hier natürlicherweise dazu. Drama ist | |
| Konflikt und Konflikt ist Drama. | |
| Und Tanz im Speziellen? | |
| Dirks: Beim Tanz liegt der große Vorteil darin, dass er ohne Sprache | |
| funktioniert. Bewegung ist universell verständlich. Deshalb überbrückt er | |
| sprachliche, interkulturelle und politische Barrieren. Tanz beinhaltet | |
| immer Gruppendynamik und ist deshalb sozial und vernetzend. Man muss | |
| füreinander Verständnis erlangen. | |
| Theis: Sprache ist die Konvention, die wir kennen. Hinter Sprache kann man | |
| sich total verstecken. Tanz ist viel unmittelbarer. | |
| Was ermöglicht „Tanzzeit“ den Zuschauer*innen? | |
| Dirks: Das Erlebnis als Zuschauer*in ist sehr subjektiv. Ganz selten wird | |
| transportiert, was man dem Erlebten entnehmen soll. Bei „Tanzzeit“ ist das | |
| Publikum sehr divers. Da sind auch Menschen, die gar nicht viel Tanz | |
| kennen. Die Stücke dauern maximal eine Viertelstunde und sind sehr | |
| vielfältig. Das macht den Zugang sicherlich einfacher. | |
| Dieses Jahr wird erstmalig eine Research-Residenz vergeben. Was hat es | |
| damit auf sich? | |
| Theis: Mit der Residenz wollen wir an die „Tanzzeit“ anknüpfen. Es geht | |
| darum, Tänzer*innen zu motivieren, sich zu bewerben und ihnen Raum zu | |
| geben, neue Ideen zu entwickeln oder bestehende Projekte fortzuspinnen. | |
| 30 Nov 2023 | |
| ## AUTOREN | |
| Hellen Kachler | |
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