Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Neue Klage gegen immer mehr Ölbohrungen
> Der norwegische Konzern Equinor fördert wild drauflos, noch bevor es ein
> Urteil gibt, ob seine Genehmigung gültig ist. Umweltgruppen warnen vor
> dem Ausstoß von Klimagas
Aus Stockholm Reinhard Wolf
Breidablikk, Tyrving, Yggdrasil: Um diese drei norwegischen Ölfelder in der
Nordsee geht es bei einer neuen Klimaklage, die Greenpeace und die
Umweltschutzorganisation Natur og Ungdom gegen den norwegischen Staat
anhängig gemacht haben und die am Dienstag vor dem Amtsgericht in Oslo
erstmals verhandelt wurde.
Der Betrieb dieser Projekte würde nach Berechnungen von Greenpeace zu einem
CO2-Ausstoß von 463 Millionen Tonnen führen, was dem norwegischen
Klimagassausstoß in neun Jahren entspricht. „Der neue Klimaprozess ist
unsere letzte Möglichkeit, dafür zu sorgen, dass diese massiven Mengen im
Boden bleiben“, begründet Greenpeace die Klage. Die ist im Prinzip eine
Fortsetzung des Klimaprozesses, den Greenpeace und verschiedene andere
norwegische Umweltschutzorganisationen in den Jahren von 2016 bis 2020
gegen Oslo geführt hatten. Darin war es um die Erteilung von Lizenzen zur
Ölprospektierung und -förderung in der arktischen Barentsee gegangen. In
der dritten Instanz scheiterten die klagenden Organisationen seinerzeit vor
dem „Høyesterett“, dem Obersten Gerichtshof des Landes. Das lehnte im
Dezember 2020 einen behaupteten Verfassungsverstoß ab, verpflichtete die
Regierung aber zukünftig die Auswirkungen auf das Klima zu berücksichtigen,
bevor sie für neue Öl- und Gasfelder grünes Licht gibt. Während diese alte
Klage zwischenzeitlich dem Europäischem Menschenrechtsgerichtshof vorliegt,
der darüber aber erst nach drei anderen dort ebenfalls anhängigen
Klimaklagen entscheiden will, hält die norwegische Regierung an ihrer
bisherigen Praxis fest.
„Das Öl- und Energieministerium erteilt neue Genehmigungen für zusätzliche
Öl- und Gasförderung, ohne dabei in erforderlichem Maße die Konsequenzen
für das globale Klima zu bewerten“, kritisiert Greenpeace: „Was unserer
Meinung nach nur bedeuten kann, dass die mit dem Ziel des Pariser
Klimaabkommens vereinbar sein müssen: einer Begrenzung der globalen
Erwärmung unter 1,5 Grad.“ Eine Auslegung, die auch die Norwegische
Institution für Menschenrechte – ein Organ des norwegischen Parlaments –
teilt. Sie wirft der Regierung vor, mit der Erteilung neuer Lizenzen gegen
das Urteil des Høyesterett verstoßen und damit einen Verfassungsverstoß
begangen zu haben. „Die zentrale Rechtsfrage wird nun sein, ob die
Genehmigungen ungültig sind, weil der Staat die Auswirkungen der durch die
Verbrennung freiwerdenden Emissionen auf das Klima nicht unter
Berücksichtigung der im Urteil des Obersten Gerichtshofs aufgestellten
Kriterien bewertet hat“, sagt Jenny Sandvig, die Anwältin der klagenden
Organisationen.
Einen ersten Erfolg konnten Greenpeace & Co schon vor dem eigentlichen
Prozessbeginn verbuchen: Das Gericht hat auf Antrag der Klagenden zu dieser
Frage KlimaforscherInnen zur Beweisaufnahme geladen. Der Staat hatte sich
diesen Anträgen widersetzt, mit dem Argument: Es müssten nicht die
globalen, sondern nur die nationalen Auswirkungen neuer Öl- und
Gasfördergenehmigungen geprüft werden. Wobei auffällt, wie eilig es der
staatliche Ölkonzern Equinor plötzlich hat, die staatlich genehmigten
Förderprojekte in die Tat umzusetzen, bevor das Gericht die Möglichkeit
hat, diese zumindest bis zu einer endgültigen Entscheidung zu stoppen.
Mit der Breidablikk-Förderung sollte ursprünglich im Februar 2024 begonnen
werden. Nachdem Greenpeace und Natur og Ungdom im Juni ihre Klage
angekündigt hatten, konnte der Konzern es plötzlich nicht abwarten und
beantragte am 7. August, das Projekt um vier Monate vorzuziehen.
Gleichzeitig wurde auf Antrag des Staatsanwalts der ursprünglich auf den
16. Oktober terminierte Prozessbeginn um sechs Wochen verschoben. Seit dem
20. Oktober ist Breidablikk nun bereits in Gang. Alles nur Zufall?
„Wir sind ja nicht besonders konspiratorisch veranlagt“, sagt der
Generalsekretär von Greenpeace in Norwegen, Frode Pleym, „allerdings ist es
doch reichlich seltsam und sehr bedauerlich, was da passiert ist“: „Aber
der Staat ist Equinor, und Equinor ist der Staat.“ Es sei offensichtlich,
dass es im beiderseitigen Interesse liege, eine Prozessentscheidung so
lange wie möglich aufzuschieben.
Denn eines sei klar, meint Pleym: „Wenn wir den Fall gewinnen und die neuen
Lizenzen für ungültig erklärt werden, könnte dies das Ende aller neuen Öl-
und Gasprojekte in Norwegen bedeuten. Dies würde historisch sein und den
Beginn des Ausstiegs aus der norwegischen Ölwirtschaft einläuten.“
29 Nov 2023
## AUTOREN
Reinhard Wolff
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.