# taz.de -- Obdachlose fordern mehr Teilhabe | |
> Kritik an temporären Lösungen. Kaum freie Betten in Kältehilfe | |
Von Lisa Bor | |
Ob im Alltag auf der Straße oder bei der Beschaffung neuer Räumlichkeiten | |
für die Kältehilfe: Auf allen Ebenen der Obdachlosenhilfe fehlt es an | |
Planungssicherheit, so das zentrale Ergebnis einer Veranstaltung der Union | |
für Obdachlosenrechte Berlin (Ufo) am Dienstagabend. Die Organisation will | |
Betroffenen eine Stimme geben, ihre Teilhabe verbessern und Obdachlosigkeit | |
reduzieren. „Ganz abschaffen werden wir sie wohl nicht können“, sagt einer | |
der Ehrenamtlichen und widerspricht damit dem Vorhaben des Senats, der | |
Wohnungslosigkeit bis 2030 beenden will. | |
Ufo Berlin konzentriert sich auf das Hier und Jetzt, in dem Obdachlosigkeit | |
nach wie vor ein großes Problem darstellt. Anderthalb Monate nach dem Start | |
der Kältehilfe fordert die Ufo daher eine kostenfreie Telefonnummer für | |
Hilfsangebote wie den Kältebus – denn bislang braucht es Guthaben oder | |
einen Handyvertrag für diese Anrufe. Die Betroffenen wünschen sich außerdem | |
kostenlose Toiletten im öffentlichen Raum, mehrsprachige Informationen über | |
Hilfsangebote sowie eine unabhängige Beschwerdestelle, um etwa | |
Diskriminierungserfahrungen zu melden. Nicht zuletzt fordert die Ufo ein | |
selbstverwaltetes Haus für Wohnungslose, damit diese ihren wenigen Besitz | |
sicher und rund um die Uhr zugänglich unterbringen können. | |
Zwei 24/7-Unterkünfte gibt es bereits im Rahmen der Kältehilfe. Hier werden | |
neben Übernachtungsplätzen auch Beratungen zu Gesundheit, Sozialem und | |
Jobsuche angeboten. 153 Plätze stehen dort zur Verfügung, davon 65 nur für | |
Frauen. Wer einen solchen Platz bekommt, muss nicht mehr zwischen | |
Tagesstätte und Schlafplatz pendeln. | |
Für Obdachlose ist das sehr belastend, wie ein Betroffener berichtet. Der | |
ganze Alltag werde durch das Pendeln und die Öffnungszeiten der | |
Einrichtungen bestimmt: „Die Tagesstätte schließt, dann muss ich raus. Dann | |
gibt es eine bestimmte Zeitspanne und dann muss ich wieder rechtzeitig bei | |
der Übernachtung sein, sonst bekomme ich am Ende keinen Platz.“ So einen | |
Job zu finden beziehungsweise einer Arbeit nachzugehen, sei fast unmöglich. | |
Hinzu kommt das Problem der fehlenden Privatsphäre. „Ich bin nie alleine, | |
es gibt wenig Rückzugsraum“, sagt er. „Neulich bin ich bis nach Spandau in | |
ein Einkaufszentrum gefahren, um mal meine Ruhe zu haben.“ | |
Doch mehr solcher 24/7 Plätze sind nicht in Sicht. Im Gegenteil: Eine der | |
Rund-um-die-Uhr-Einrichtungen mit 80 Plätzen in Mitte soll Ende des Jahres | |
geschlossen werden. Als Grund nennt die Stadtmission bauliche Mängel. Neue | |
Räumlichkeiten sind bisher nur für etwa die Hälfte der Menschen gefunden. | |
Anfang November wurden die Plätze der Kältehilfe von 677 auf rund 1.100 | |
erhöht. Laut Kältehilfe liegt die Auslastung regelmäßig bei über 95 | |
Prozent, an zwei Tagen Ende Oktober sogar bei über 100 Prozent. In einer | |
Mitteilung kritisieren die beteiligten Verbände die temporären Lösungen: | |
„Nur mit einem ganzjährigen Hilfesystem wird es überhaupt möglich sein, | |
Wohnraum zu schaffen und dem staatlichen Schutzauftrag für Wohnungs- und | |
Obdachlose nachzukommen.“ | |
16 Nov 2023 | |
## AUTOREN | |
Lisa Bor | |
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