# taz.de -- das kurze leben der ost-taz: „Alles anders machen“ | |
Für alle Menschen in der DDR war 1990 das Jahr der Träume. Manche gingen in | |
Erfüllung, andere platzten. Die geplatzten sind es, die bis heute | |
nachwirken. Sie sind der Grund, warum viele Ostdeutsche immer noch mit der | |
Bundesrepublik hadern, fremdeln, auf eine teilweise höchst unangenehme Art. | |
Es ist auch die Ursache, warum die taz eine „Westzeitung“ geblieben ist. | |
Wer mehr erfahren will, sollte sich am Mittwoch die TV-Doku „Alles anders | |
machen – das kurze Leben der Ost-taz“ anschauen. Denn das kleine linke | |
westdeutsche Zeitungsprojekt taz agiert 1990 mit ihrem Ost-Ableger exakt so | |
wie die große Bonner Polit- und Verwaltungsmaschine mit der gesamten DDR. | |
Anfang 1990 dominieren die SED-Bezirkszeitungen die DDR. Höchste Zeit für | |
Neues, und so gründen Bürgerbewegte aus dem Umfeld des Neuen Forums, etwa | |
in Leipzig und Magdeburg, Wochenzeitungen. Noch im November 1989 wird im | |
Städtchen Salzwedel die Altmark-Zeitung gegründet, und ein Verleger aus dem | |
Münsterland baut in Leipzig die Tageszeitung Wir in Leipzig! auf. Die | |
gemeinsame Botschaft: Die SED-Blätter haben keine Zukunft, die Menschen | |
wollen „andere“ Zeitungen. | |
Die Ost-taz ist eine davon. Und so machen ab Februar 1990 in Ostberlin | |
junge Leute die DDR-taz, ohne Schere im Kopf. Immer der Nase nach. Das geht | |
nicht lange gut. Die Ost-tazler überwerfen sich mit der West-taz wegen | |
einer Stasi-Adressenliste. taz-Ost will nicht veröffentlichen, taz-West | |
greift ein, druckt die Listen und regelt publizistisch, was sie nicht | |
wirklich betraf. | |
Journalistisch richtig, menschlich verheerend. Kurz darauf zieht die | |
West-taz den Stecker, weil sich die Kuh nicht mehr länger melken lässt. | |
Ex-taz-Chefredakteur Arno Widmann erzählt in der Doku, dass der zentrale | |
DDR-Grossist die gesamte Druckauflage für DDR-Mark aufkaufte. | |
taz-Langzeitgeschäftsführer Kalle Ruch brauchte die DDR-Knete zur | |
Währungsunion nur umzurubeln. Die Schlussrechnung für die Planwirtschaft | |
ging an Theo Weigel in Bonn. | |
Als ob das schnelle Ende der Ost-taz nicht deprimierend genug wäre, machen | |
die „Bezirksorgane“ der SED mit West-Eigentümern weiter. Eine eigenständi… | |
publizistische Stimme aus dem Osten, abseits von ND und Junge Welt, fehlt | |
indes. Und die taz bleibt ein Westprodukt, wie Süddeutsche, FAZ, Zeit und | |
Spiegel. Die herablassende Ahnungslosigkeit der Herren Di Lorenzo, | |
Schumacher und Jörges rahmt diese unglaubliche Story würdig ein. | |
Thomas Gerlach, hat im Februar 1990 sofort sein „ND“-Abo gekündigt und die | |
taz abonniert. | |
„Alles anders machen – das kurze Leben der Ost-taz“ von M. Biedowicz am | |
25. 10. um 22.45 Uhr im [1][rbb]. | |
21 Oct 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://www.rbb-online.de/doku/a/alles-anders-machen.html | |
## AUTOREN | |
Thomas Gerlach | |
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