# taz.de -- Ganz viel Gitarre | |
> Von Stoner Rock bis Glam Punk: Beim Niranium Festival in der | |
> Berghain-Kantine spielten einen Tag lang Berliner Bands für Berlin | |
Von Julian Csép | |
Es ist Samstag, 16 Uhr, eigentlich viel zu früh für ein Rock-Konzert. Doch | |
findet in der Kantine am Berghain kein gewöhnliches Rock-Konzert statt, es | |
ist die Premiere des eintägigen Rock- Festivals Niranium. | |
Für den ulkigen Preis von 36,02 Euro verspricht das Niranium sechs Berliner | |
Bands aus den unterschiedlichsten “Rock Genres“. Unter dem Motto „Berliner | |
Bands für Berlin“ wird ein Potpourri an Gitarrenmusik geboten. Ein eher | |
ungewohntes Konzept für ein eintägiges Festival, sind die meisten | |
Organisator*innen doch darauf aus, eine ganz spezielle Szene | |
anzusprechen, auch um so ihren Ticketverkauf zu sichern. | |
Trotz des Risikos weniger Karten zu verkaufen, haben sich die | |
Veranstalterinnen Carolin Leue – auch bekannt unter dem Namen Nira – und | |
Carolin Menz aber für dieses weitgreifende Line Up entschieden. Bei einem | |
Gespräch vorab in einer Friedrichshainer Bar erzählt Nira, wie die Idee für | |
das Festival entstand: „Ich habe mal eine Zeit lang in London | |
Event-Management studiert und hatte das Gefühl, dass die Bands dort | |
szeneübergreifend viel besser miteinander vernetzt sind. In Berlin ist es | |
oft so, dass jede Band so ein bisschen in ihrer Szene feststeckt. Und das | |
ist schade“. | |
Den Start an diesem Abend macht die dreiköpfige Band Shamaniacs. Noch ist | |
der Saal halb leer. Das fällt bei der Performance der sich mehr als “Tribe“ | |
statt als Band verstehenden Gruppe aber keineswegs auf. Man könnte fast | |
meinen, sie spielen vor zehntausend Leuten. Mit einem breitflächigem | |
Gitarrensound, der genug Platz für schöne mittige Bassmelodien lässt, und | |
einem musikalischen Mix aus Stoner Rock mit südsyrischen Folk-Melodien | |
ziehen sie das Publikum in ihren Bann. | |
Nach dem ruhigen aber doch druckvollen ersten Konzert, folgt der Auftritt | |
der Punk Band KAoS (Kein Abend ohne Schnaps). Nun ist der Saal gut gefüllt, | |
die crowd wird von Song zu Song angespannter, bis sich die Energie dank | |
einer mutigen Person, die den Pogotanz eröffnet, endlich entlädt. | |
Neben dem Ziel die Berliner Musikszene besser miteinander zu vernetzen, | |
möchte das Niranium Bands eine Bühne bieten, die Aufgrund ihres Geschlechts | |
oder ihrer Sexualität benachteiligt werden. | |
Bei einem klassischen “Zigaretten-Talk“ berichtet die Schlagzeugerin von | |
KaoS: „Ich habe manchmal das Gefühl, dass man sich in Berlin erstmal vor | |
den ganzen scheiß Altpunkern beweisen muss, bevor man ernst genommen wird.“ | |
Ein Problem, das die Band Fatigue ebenfalls kennt. „Wir hatten mal einen | |
Techniker, der unsere Kritik an seinem Sound überhaupt nicht ernst nahm und | |
uns vor dem gesamten Publikum bevormundet hat. Als wir ihn nach dem Konzert | |
freundlich darauf ansprachen, meinte er nur: ‚Wenn ich euch das mit dem | |
Sound nicht beibringe, wer dann?‘“, erzählt Sängerin Marie. | |
Eine verwunderliche Reaktion, sollte doch spätestens bei dem Song „People I | |
Wanna Punch“ jeder und jedem Techniker*in klar sein, dass Fatigue eine | |
ordentliche FLINTA*Band ist, die genau weiß, wie sie klingen will. | |
Highlight des Festivals ist das Konzert der Band Eat Lipstick. Ihre Show | |
hat einen puren queeren Sexappeal, ihr Sound ist ein roher, dreckiger Glam | |
Punkrock. Während die Sängerin Anita Drink sich im Publikum auf dem Boden | |
windet und der Schlagzeuger trotz vom Schweiß zerlaufender Schminke wie | |
eine Maschine den Groove hält, spielt der Gitarrist Shredder-Solos, die den | |
ganzen Körper zum kribbeln bringen. Definitiv eine Performance, die das | |
Publikum nicht so schnell vergessen wird. | |
11 Sep 2023 | |
## AUTOREN | |
Julian Csép | |
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