# taz.de -- herzensort: Viel zu nah und trotzdem glücklich | |
Ich war noch nie gerne unter Menschen. Genau genommen meine ich: | |
mittendrin, zwischen sehr vielen Menschen, hautnah dran, dicht, vielleicht | |
sogar Oberarm an Oberarm, im schlimmsten Fall schwitzend, textilfrei. Pfui. | |
Und meine Menschenmengen-Aversion wird immer schlimmer. Zu volle Clubs, der | |
Supermarkt am Samstagabend, beliebte Urlaubsziele? Lieber nicht. | |
Umso erstaunlicher, wenn es alle paar Halbmonde vorkommt, dass ich Gedränge | |
dann doch mal mag. Passiert aber, zuletzt bei einem mittelgroßen Konzert. | |
Mit 500 Leuten in einer Halle, die auch Kleinstadtdisko sein könnte. Ohne | |
Stadion, Feuerwerk, fußballfeldgroße Bildschirme. Ohne Entfernung. Ohne | |
Taylor Swift oder Beyoncé. Da steht man, ungeplant, in der zweiten Reihe, | |
und kann das Teppichmuster unter dem Drumset erkennen. Eingerahmt von | |
Mittelscheitel-Teenies, Bandshirt-Studenten, Hippiewesen. Kein Platz zum | |
Tanzen und kein Abstand zu anderer Leute Oberarme, aber egal. Ich, | |
angeblich Ü30, aber heute wieder 16, als Teil der Menschenmasse. Viel zu | |
nah dran und trotzdem glücklich – oder ausnahmsweise genau deswegen. Lin | |
Hierse | |
1 Jul 2023 | |
## AUTOREN | |
Lin Hierse | |
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